Das Welttheater Einsiedeln muss wie so viele andere Veranstaltungen verschoben werden. Bild Archiv SKP
Das Welttheater Einsiedeln muss wie so viele andere Veranstaltungen verschoben werden. Bild Archiv SKP
Etwas in Bewegung gebracht: Seit der Rollenverteilung vom 20. November 2019 nahm das Projekt Welttheater ungemein Fahrt auf. Der Lauf ist jäh gebremst. Bild Archiv EA
Etwas in Bewegung gebracht: Seit der Rollenverteilung vom 20. November 2019 nahm das Projekt Welttheater ungemein Fahrt auf. Der Lauf ist jäh gebremst. Bild Archiv EA

Bühne

«Frontal an die Wand gefahren»

Welttheaterpräsident Hanspeter Kälin erklärt die Verschiebung auf das kommende Jahr Die Verschiebung trifft die Welttheatergesellschaft hart. Dennoch versucht der Präsident, der Situation auch etwas Positives abzugewinnen.

Victor Kälin: Das Welttheater wird um ein Jahr verschoben. Warum?


Hanspeter Kälin: Die Unsicherheit war das grösste Problem. Wie lange wirkt das Coronavirus? Wie lange dauern die Massnahmen? Was kommt noch? Was ist, wenn nach Ostern die Situation noch immer angespannt ist? Es wäre unverantwortlich, ein Projekt mit Hunderten von Mitwirkenden weiterzuführen. Deren Gesundheit und Wohlergehen hat oberste Priorität.

Gab es keine Möglichkeit, das Theater 2020 «unterzubringen»?


Das wurde als Option diskutiert. Ich persönlich wollte das Theater unbedingt in diesem Jahr aufführen. Aber kaum sah man irgend einen Strohhalm, wurde er anderntags durch neue Hiobsbotschaften geknickt. Selbst wenn wir, was theoretisch möglich gewesen wäre, die Premiere um zwei Wochen verschoben hätten, gab es keine Gewissheit, ob sich in diesen Pandemie-Zeiten ein Publikum finden lässt, das sich für ein Freiluftspiel mit 2300 Plätzen interessiert. Letztlich war es auch nicht verantwortbar, ohne Spielgarantie weiterhin Geld auszugeben. Wir hätten nichts gewonnen, sondern ziemlich sicher noch mehr verloren. So mussten wir für 2020 schweren Herzens kapitulieren.

Wer hat diesen Entscheid gefällt?


Der Verstand zusammen mit der künstlerischen Leitung und der Produktionsleitung. Als alle Argumente vorlagen, war der Entscheid eindeutig.

Wann wurde dieser Entscheid gefällt?


Der definitive Beschluss zur Verschiebung fiel gestern Donnerstagmorgen.

Was sagen Lukas Bärfuss und Livio Andreina dazu? Stehen sie als Autor und Regisseur im kommenden Jahr erneut zur Verfügung? Braucht es eine Überarbeitung von Text und Inszenierung – oder bleibt alles «beim Alten»?


Sie sagten ganz klar, 2021 wieder dabei zu sein. Ihrer Meinung nach soll dort weitergearbeitet werden, wo wir Mitte März aufgehört haben. Im Grundsatz bleiben Stück und Inszenierung identisch, auch wenn die Details noch nicht besprochen sind. Auch die Zuteilung der Rollen behält ihre Gültigkeit.

Gab es Alternativen – eine Verschiebung um zwei Jahre oder gleich auf 2024, dem 100. Geburtstag der Gesellschaft?


Ja, auch das diskutierten wir. Eine Verschiebung aufs Jubiläumsjahr 2024 war für mich persönlich nicht verhandelbar. In vier Jahren müssen wir alles in Frage stellen: das Stück, den Inhalt, das Spielvolk, die Sponsoren … Wir müssten buchstäblich bei Null beginnen. Für 2021 hingegen können wir die gute Stimmung, den Drive übernehmen. Autor und Regisseur sind wieder mit dabei, das Stück steht. Ein Spiel im kommenden Jahr zeugt auch von Respekt dem Spielvolk und allen Mitwirkenden gegenüber, welche mit so viel Engagement das Projekt vorangetrieben haben. Indem sie weiter dabei bleiben können, honorieren wir auch deren Leistung.

Steht der Klosterplatz 2021 überhaupt zur Verfügung?


Ja, das ist so. Das war natürlich Voraussetzung für unseren Entscheid. Kloster und Bezirk haben sofort reagiert und uns grünes Licht für 2021 gegeben, auch wenn aktuell die Details noch nicht geklärt sind. Das Spielvolk hat seit einigen Monaten grosse Entbehrungen auf sich genommen – und auch den Sommer so geplant, dass das Welttheater im Zentrum steht. Ferien und anderes hatten höchstens noch zweite Priorität.

Könnte es sein, dass es für die vielen Beteiligten einfach zu viel ist, gleich 2021 «weiterzumachen»? Kurzum: Wäre es aus Sicht der Mitwirkenden nicht gescheiter gewesen, 2021 durchzuschnaufen und erst danach zu spielen – zum Beispiel 2022?


Dieses Risiko besteht tatsächlich; das ist nachvollziehbar. Dafür habe ich Verständnis. Das Coronavirus betrifft allerdings nicht nur unsere Mitwirkenden, sondern die Ferienpläne weltweit. Zudem steht das Spiel 2021 auch neuen Interessierten offen, welche in diesem Jahr keine Zeit finden konnten.

Was bedeutet die Verschiebung auf 2021?


Wir sind nicht das erste grosse Freiluftspiel, das seine Verschiebung bekannt gegeben hat. Aufgrund der weltweit ausserordentlichen Lage befürchte ich keinen Reputationsschaden. Wir können uns nichts vorwerfen. Im Gegenteil: Es lief alles hervorragend. Wir waren so gut unterwegs. Und jetzt werden wir frontal an die Wand gefahren. Das ist doppelt gemein.

Was sagen die Sponsoren?


Wir hatten bisher noch keine Zeit für eine Kontaktnahme. Migros Kulturprozent, einer unserer Hauptsponsoren, sicherte unserer Gesellschaft allerdings von sich aus zu, sämtliche für 2020 gesprochenen Beiträge auszuzahlen. Das hat mich ungemein gefreut.

Was hat das Welttheater 2020 bisher gekostet? Kann man alle Verbindlichkeiten erfüllen angesichts des Vereinsvermögens von 1,13 Millionen Franken?


Alleine für das Jahr 2019 sind 640’000 Franken Ausgaben budgetiert. Und 2020 ging es mit den Auslagen so richtig los … Die Finanzfrage war für unseren Entscheid ebenfalls massgeblich: nämlich nicht noch mehr Geld auszugeben auf die Gefahr hin, dann doch nicht spielen zu können. Eine Aufrechnung der Zahlen ist nicht ganz einfach, da viele der erbrachten Leistungen wie Konzept, Kostüme und weiteres auch für 2021 angerechnet werden können. Sicher ist, dass wir unsere Finanzierung auf neue Beine stellen müssen. Das Vereinsvermögen ist angeknabbert. Die laufenden Kosten hätten wie in den Vorjahren mit den Ticketeinnahmen refinanziert werden sollen …

Stehen diese Einnahmen zur Verfügung?


Bisher haben wir Tickets im Umfang von 450’000 Franken verkauft. Wie das mit den Einnahmen weitergeht, kann ich im Moment nicht sagen. Das ist alles zu kurzfristig. Doch auch die Welttheatergesellschaft setzt auf das angekündigte Rettungspaket des Bundesrates, das ja nicht nur dem Gewerbe, sondern auch der Kultur zugute kommen soll.

Droht der Konkurs der Gesellschaft?


Nein. Ich hoffe es nicht, angesichts der Sofortmassnahmen des Bundes. Wir haben noch etwas Geld in der Kasse. Doch für einen Neustart brauchen wir neue Finanzmittel.

Wie belastend ist die Situation für den Vorstand, explizit für Sie als Präsident?


Tatsächlich habe ich schon besser geschlafen. Ich versuche positiv zu denken. Ich glaube, dass wir es gemeinsam schaffen, da ich grossen Rückhalt im Vorstand und im künstlerischen Stab spüre. Mir tun alle Beteiligten leid, da wir für sie im Moment nichts machen können. Das zu kommunizieren belastet stark.

Ihnen ist angesichts dieser widrigen Umstände ein Wunsch gewährt …


Dann wünsche ich mir, dass die Mitwirkenden unter den gegebenen Umständen das Beste aus dem Sommer 2020 machen. Dass sie realisieren, nun plötzlich mehr Zeit für sich, die Familie und ihre Hobbys zu haben. Und deshalb «erst recht» am Welttheater 2021 mitmachen werden. Trotzen wir gemeinsam den widrigen Umständen und spielen mit umso grösserer Überzeugung im nächsten Jahr mit. Ich wünsche mir, dass der Groove bis 2021 anhält und wir gemeinsam zu Ende spielen, was wir begonnen und so weit gebracht haben.


Einsiedler Anzeiger / Victor Kälin

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

20.03.2020

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