«Werde vermehrt zum Himmel blicken, je näher die Aufführungen kommen»: Welttheater-Präsident Hanspeter Kälin. Foto: Archiv EA
«Werde vermehrt zum Himmel blicken, je näher die Aufführungen kommen»: Welttheater-Präsident Hanspeter Kälin. Foto: Archiv EA

Bühne

«Grösster Respekt vor dem Wind»

Welttheater-Präsident Hanspeter Kälin kommentiert die Wetterstatistik 2019 des Einsiedler Anzeigers In einem Jahr ist das Welttheater 2020 bereits Geschichte. Neben dem künstlerischen Aspekt wird auch das Wetter eine wichtige Rolle spielen. Hanspeter Kälin blickt zurück und nach vorn.

Das Welttheater ist nicht nur auf die Gunst des Publikums angewiesen, sondern auch auf die Gunst des Wettergottes. Wie die Verhältnisse in einem Jahr sein werden, weiss niemand. Doch für dieses Jahr kennt man das Wetter. Der Einsiedler Anzeiger hat während den Aufführungsabenden Buch geführt. Fazit: Wäre das Welttheater in diesem Jahr gespielt worden, hätte man neun von zehn Vorstellungen bei guten bis sehr guten Verhältnissen ansagen können. Bei 34 von 36 regulären Aufführungen und bei 3 von 4 Reservedaten herrschte spielbares Wetter. Insgesamt hätte man zwischen dem 17. Juni (Premiere) und dem 5. September (Derniere) die angestrebten 36 Aufführungen erreicht, gar übertroffen.


• Spielquote 2019 94,4 Prozent


• Spielquote 2013 92,7 Prozent


• Spielquote 2007 84,2 Prozent


Viktor Kälin: Wenn man Ihnen vor der Premiere verspricht, an über 90 Prozent aller regulären Termine spielen zu können: Würden Sie dann einschlagen?


Hanspeter Kälin: Da würde ich sofort einschlagen, denn erstens bin ich ein Optimist und zweitens haben wir mit dem Tribünendach einen Schutz für die Zuschauer im Falle leichter Niederschläge – das gibt eine zusätzliche Sicherheit.


Haben Sie in diesem Sommer auch Wetter-Buch geführt?


Ganz so akribisch wie der EA habe ich nicht Buch geführt – danke für diese Analyse. Natürlich habe ich das schöne Sommerwetter auch genossen und hoffe, dass das auch im 2020 so ist. «Gäll das wär Welttheaterwetter» – darauf bin ich sehr oft angesprochen worden.


Sie sind als Spieler und Vorstandsmitglied seit Jahrzehnten dabei. Können Sie sich an eine wettermässig wirklich schlechte Spielzeit erinnern?


Eigentlich hatten wir im Grossen und Ganzen über sehr viele Spielperioden Glück. In einer Langzeitbetrachtung sind im Schnitt jeweils 6 Aufführungen pro Saison ausgefallen. 1981 hatten wir, so wie ich mich erinnere, eher schlechtes Wetter. Für diesen Fall hatten wir eine sogenannte Kirchenfassung, die aber nicht vollumfänglich zu überzeugen vermochte. Darum hat man in den folgenden Spielperioden wieder auf diese Variante verzichtet. Schade ist, wenn die Premiere «ins Wasser fällt» und am Verschiebedatum nachgeholt werden muss. Das hat meiner Meinung nach eine dämpfende Auswirkung auf die Zuschauer.


Welche Wetterverhältnisse gelten als «unspielbar»?


Mit der geplanten Tribünenüberdachung haben wir einen Schutz für die Zuschauer. Das ist sicher ein grosser Vorteil und beeinflusst die Entscheidung der Besucher, dem Spiel auch bei unsicherer Wetterlage beizuwohnen. Für die Spieler liegt die Schmerzgrenze zum Spielen bei Regen erfahrungsgemäss sehr hoch oben. Wenn man als Spieler auf der Bühne steht, möchte man unbedingt spielen – Regen hin oder her. Wenn aber die Sicherheit und Gesundheit der Zuschauer und Mitspieler gefährdet wären, dazu gehören anhaltender, kräftiger Regen oder/und Wind, wäre dies klar eine Entscheidung für eine Absage oder einen Abbruch des Spiels.


Macht es einen Unterschied, ob man am Samstag spielt und die Kostüme nachher Zeit zum Trocknen haben, oder an einem Mittwoch, auf den mit Donnerstag bereits ein weiterer Auftritt folgt – mit vielleicht noch nassen Kleidern?


Ich gehe davon aus, dass wir in der kommenden Saison herrliche Kostüme einsetzen werden. Damit die Kleider dann von einem Tag auf den anderen trocknen, müssen wir sicher Vorkehrungen treffen und Trockner und Gebläse für diesen Fall bereitstellen. Ich habe in der Vergangenheit schon erlebt, dass ich in nicht vollständig trockenen Kleidern spielen musste – das war eine sehr dichte, schwere Kutte. Das ist unangenehm und das wollen wir vermeiden. Aber wir sind erst im kommenden Jahr am Erstellen der Infrastruktur und in diesem Zusammenhang wird sicher auch dieser Aspekt zu berücksichtigen sein.


Haben Sie auch einmal mitgespielt, als eine Aufführung abgebrochen werden musste?


Seit 1965 spiele ich im Welttheater mit. Da habe ich sicher 10 bis 15 Spielabsagen oder Spielabbrüche erlebt. Meistens war das aber nicht so dramatisch. Abgebrochen wurde jeweils wegen anhaltendem starkem Regen. Einige Male wurde das Spiel unterbrochen, um ein vorüberziehendes Gewitter abzuwarten. Oft kam dann aber nur eine kleine Anzahl der Zuschauer beim Neubeginn wieder auf die Tribüne. Da wird sich die Überdachung der Tribüne sicher positiv auswirken. Dramatischere Momente infolge schlechtem Wetter habe ich aber eher in den Proben auf dem Platz erlebt. In der Spielperiode 2013 haben wir oft in Winterkleidern geprobt – sogar im Mai gabs noch Schneegestöber. Das eindrücklichste Ereignis ereignete sich im Juni 2007. Der Himmel verfinsterte sich beim Proben extrem schnell. Pechschwarz kam es vom «Süloch». Ich erinnere mich, dass ich Volker Hesse gesagt habe, dass wir sofort die Leute in Sicherheit bringen müssen. Innert Kürze brach ein apokalyptisches Unwetter über Einsiedeln herein. Die Kinder wurden in den Katharinahof gebracht, andere rannten in die Kirche und der Rest in den Gemeindesaal. Und dann begann ein Unwetter, wie ich es noch nie gesehen und erlebt hatte. Nach zirka einer Stunde war der Spuk vorbei und hinterliess ein Bild der Verwüstung. Die Schmiedenstrasse sah eher aus wie ein Fluss, das Hafnerquartier stand unter Wasser und in Gross wurde sogar ein Haus weggeschwemmt.


Da geht es nicht mehr ums Theater, sondern nur noch um die Sicherheit von Spielern, Helfern und Zuschauern. Die Verantwortung ob Spiel oder nicht ist hoch …


Das ist ganz klar. So schmerzlich eine Absage oder ein Unterbruch ist: Das Wohl und die Sicherheit der Zuschauer, Spieler und Helfer hat immer oberste Priorität.


Auf das Wetter bezogen: Wovor haben Sie am meisten Respekt?


Im kommenden Jahr vor starkem Wind.


Wer entscheidet, ob gespielt wird oder nicht?


Der Entscheid, ob jeweils gespielt wird, wurde in den letzten Spielperioden alternierend im vorgegebenen Turnus von jeweils 2 Vorstandsmitgliedern, meistens in Absprache mit anderen Personen vor Ort, gefällt. Das werden wir vermutlich wieder ähnlich organisieren. Wir hatten in der Vergangenheit einen sehr guten Kontakt zum Wetterdienst des Flughafens Kloten. Nach Möglichkeit werden wir den auch im nächsten Jahr wieder beanspruchen. Zudem gibt es inzwischen sehr gute Portale und Apps, die wir zusätzlich konsultieren werdem. Besonders die Angaben aus Kloten waren immer sehr präzise.


Früher schloss die Welttheatergesellschaft jeweils eine Wetterversicherung ab. Gibts das 2020 erneut?


Darauf haben wir bereits 2013 verzichtet. Es gibt nur noch wenige Gesellschaften, die eine solche Versicherung anbieten. Die Prämien sind aber so exorbitant hoch, dass sich das nicht mehr rechnet.


Was bleibt den Zuschauern, wenn eine Aufführung abgebrochen wird?


Als noch Calderon nach der Übersetzung von Eichendorff gespielt wurde, galt die Regel, dass es keine Rückerstattung der Tickets mehr gibt, wenn das Spiel erst nach dem Tod des Königs abgebrochen werden musste. Wenn früher abgebrochen wurde, wurde das Ticket zurückerstattet. Mit der überdachten Tribüne haben wir eine neue Situation, die wir in die Überlegungen miteinbeziehen werden. Wir sind da also noch nicht so weit.


Gibts wieder ein wetterfestes Ersatz-Programm – zum Beispiel in der Klosterkirche?


Das ist nicht vorgesehen.


2020 steht den Zuschauern erstmals eine gedeckte Tribüne zur Verfügung. Inwieweit beeinflusst das Dach eine Durchführung?


Das Dach bietet vor allem für die Besucher enorme Vorteile. Wenn ein Besucher von auswärts bei unsicherer Witterung bereits am Nachmittag entscheiden muss, ob er das Spiel ansehen will, hat er mindestens die Gewissheit, dass er einen Wetterschutz hat. Ich mache diese Erfahrung bei mir selber. Wenn ich ein Freilichtspiel besuchen will, das über eine gedeckte Tribüne verfügt, versuche ich auch bei unsicherem Wetter, das Spiel zu besuchen. Aus meiner Erfahrung als Spieler kann ich sagen, dass man, wenn man in der Rolle ist, sehr wetterresistent ist. Man konzentriert sich auf seinen Part und spürt den Regen weniger.


Ihr Vorgänger als Präsident, Peter Kälin, entwickelte sich im Laufe der Jahre zum Wetter-Experten. Üben Sie sich auch schon in Wetterbeobachtungen?


Unser leider verstorbener ehemaliger Präsident und Ehrenpräsident liebte es, das Wetter zu beobachten. Auf seine Prognosen konnte man sich in der Regel auch verlassen. Ich bin sicher, dass er nun bei Petrus direkt insistiert! Ich habe in der Vergangenheit auch sehr viel zusammen mit Peter zum Himmel geschaut. Ihn in dieser Passion zu toppen, ist vermutlich nicht möglich. Ich gehe aber davon aus, dass ich, je näher die Spielzeit anrückt, und während der Spielzeit sicher vermehrt zum Himmel schauen und das Wetter intensiver beobachten werde.


Einsiedler Anzeiger / Interview: Victor Kälin

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

10.09.2019

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