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Bartlis Ausflug in die Geschichte der Fasnacht

Am Donnerstagabend stellte Josias Clavadetscher in Brunnen das Buch «Der Brunner Bartli» vor.

Die Vernissage des Buches «Der Brunner Bartli» fand zwar schon am letzten Sonntag statt (der «Bote» berichtete). Doch am Donnerstagabend stellte Autor Josias Clavadetscher im voll besetzten «Rössli»-Saal in Brunnen den Inhalt des 168 Seiten umfassenden Werkes auf humorvolle Weise vor. Es war ein Ausflug in die Entstehung der Fasnacht mit Schwerpunkt Brunnen, wo der Bartli zu Hause ist – auch wenn man nicht ganz genau weiss, von wo er den Brunnern zugelaufen ist. Der ehemalige Chefredaktor des «Boten» hat in Archiven gegraben, Fasnachtsbrauchtum und Museen in umliegenden Ländern besucht und in unzähligen Ausgaben der hiesigen Lokalzeitungen geblättert – und so für die Bartligesellschaft Brunnen zu ihrem 125-Jahr-Jubiläum ein eigentliches Jahrhundertwerk geschaffen.

Die Natur und das Kirchenjahr prägen die Fasnachtszeit

Spuren der Fasnacht lassen sich bis in Spätmittelalter zurückverfolgen. «Die heutige Form ist 150, höchstens 200 Jahre alt», wusste das Ehrenmitglied der Bartligesellschaft, das die letzten fünf Bartlispiele – das letzte 1981 – verfasst hat. «Gemeinsam an der Fasnacht ist ihre anthropologische Konstante. Wie ein roter Faden zieht sich das Verkleiden durch die Fasnachtstradition.» Zwei Faktoren haben laut Clavadetscher die Fasnacht geprägt: Sie fand im Winter statt, als die Leute Zeit hatten, und das Kirchenjahr – genauer der durch den Frühlingsvollmond definierte Zeitpunkt des Osterfestes – gab den Takt vor. «Im 14. Jahrhundert wurde sie durch die Kirche verteufelt, die Fastenzeit sollte in den Mittelpunkt rücken», erzählte Josias Clavadetscher, doch diese Unterdrückung sei nicht gelungen, weshalb die Kirche die Fasnacht in ihr Jahr integriert habe – mit dem Schmutzigen Donnerstag und den Güdeltagen vor der Fasnacht, in denen vor der entbehrungsreichen Fastenzeit nochmals so richtig auf die Pauke gehauen worden sei.

Fasnacht ist heute auf die katholischen Orte konzentriert

Das Treiben uferte oft auch aus. Im 16. Jahrhundert führten «Unzucht, Völlerei und Saufgelage», wie es aus einem Ratsprotokoll überliefert ist, dazu, dass Maskentragen, Verkleidung, Tanzen bis hin zu Greiflen verboten wurden – und anstelle derer am Schmutzigen Donnerstag ein Bettag eingeführt werden sollte. «Allerdings erfolglos», wie Clavadetscher mit einem Augenzwinkern sagte. Eine Zäsur brachte die Reformation. Danach konzentrierte sich die Fasnacht auf die katholischen Orte – mit der grossen Ausnahme von Basel, wo sich die Zünftler und das Gewerbe erfolgreich gegen die Abschaffung wehrten, weil ihnen dadurch Einnahmen verloren gegangen wären.

Brunner Fasnacht ist über 500 Jahre alt

Die Brunner Fasnacht ist erstmals 1507 in einem Tagsatzungsprotokoll erwähnt, doch Josias Clavadetscher hat recherchiert, dass schon zuvor ein reger Austausch mit gegenseitigen Besuchen von Fasnachtsdelegationen zwischen den eidgenössischen Ständen herrschte – die oft in unglaubliche Saufgelage ausarteten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen die Maskenbälle auf, die einen grossen Zulauf hatten, weil es an nur wenigen Tagen im Jahr erlaubt war zu tanzen. Gleichzeitig blühten die Kostümverleihe auf – wo die Vorläufer der heutigen Originalgwändli auftauchten. 1884 ist ein solcher Verleih erstmals in Brunnen nachgewiesen.

Der Bartli rückt in den Mittelpunkt

Die Bartligesellschaft wurde 1889 erstmals erwähnt, «doch gibt es Hinweise, dass es schon zuvor Anlässe unter dem Label Bartli gab», beschrieb der eingefleischte Fasnächtler den Anfang der Brunner Bartlitradition. Zentral war die Kinderbescherung: So wurden in besagten Jahr 350 Würste verteilt. 1890 fand ein Umzug mit 14 Wagen statt. Zehn Jahre später, am 14. Februar 1900, kam es zur Gründung der Bartligesellschaft, die am Güdelmontag eine grosse Fasnacht anrichtete, mit einem Umzug mit 500 Mitwirkenden im 2000-Seelen-Dorf. In diesem Jahr wird der Begriff «Bartlivater» erstmals erwähnt. Bis in die 1930er-Jahre war die Vereinigung bloss eine Gesellschaft, seit 1935 ein Verein. Die Vereinsstruktur entlastete die Mitglieder vom finanziellen Risiko. Seit 1953 wird der Harligingg bei der Schifflände verbrannt – die ersten zwei Jahre noch als Schneemann dargestellt. Die Bartligesellschaft war ausserdem Geburtshelfer für die Nüsslergesellschaft (1938) und die Katzenmusik (1964). Sie galt lange Zeit als «Herrengesellschaft», doch das hat sich längst geändert, wie Josias Clavadetscher mit seiner erfrischenden Erzählart gleich selber unter Beweis stellte.

Wie der Bartli nach Brunnen kam

Der Original-Bartlibecher ist laut neuesten Untersuchungen um 1620 entstanden, eventuell schon einige Jahre früher. Heute wird er aus Sicherheitsgründen als Leihgabe im Staatsarchiv Schwyz aufbewahrt. Der Name geht auf den heiligen Bartholomäus zurück, der im Volksmund Bartli genannt wurde. Der Apostel gilt als Schutzpatron der Bauern, Hirten, Fischer und Winzer. Zu allen vier Berufen hatte Brunnen einen Bezug. In der alten Kapelle von 1481 auf dem Ingenbohler Hügel stand auf dem Seitenaltar das Bildnis des heiligen Bartholomäus. In der neuen Pfarrkirche Ingenbohl von 1661 fand das Bildnis keinen Platz mehr. Es wird vermutet, dass die Brunner aus Protest ein profanisiertes Bartlibildnis bei der Sust am See errichtet haben, das um 1790 aus unbekannten Gründen verschwunden ist. So kam die Figur des Bartli nach Brunnen. Der Bartlibecher ist auf alten Fotos schon seit Beginn der Bartligesellschaft ab 1900 auf dem Vorstandstisch erkennbar.

 

Bote der Urschweiz / Franz Steinegger


Autor

Bote der Urschweiz

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Kategorie

  • Brauchtum / Feste
  • Literatur

Publiziert am

11.01.2025

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