Literatur
Safranski bezeichnet den späten Goethe als «so etwas von aktuell»
Auftakt zum 2. Schwyzer Literaturfest in Brunnen: Rüdiger Safranski sprach über Goethe.
Am Samstagabend referierte zum Auftakt der zweiwöchigen Goethe-Festivalreihe Rüdiger Safranski im «Waldstätterhof » in Brunnen. Gegen hundert Personen folgten seinem Referat und dem anschliessenden Podiumsgespräch. Nach der ersten Durchführung des Literaturfests im Jahr 2022 mit dem Fokus auf Meinrad Inglin dreht sich am 2. Literaturfest alles um Goethe. Die Idee stammt von Reto Wehrli, Gesamtleiter des Literaturfests. Goethe sei für ihn «eine persönliche Vorliebe». Rüdiger Safranski schrieb Biografien über die Genies der deutschen Geistesgeschichte. Seine Bücher über Goethe, Schiller, Nietzsche oder Heidegger wurden zu Bestsellern. Im OK des Literaturfests wirken neben Reto Wehrli Graziella Contratto, Stefan Zweifel und Roger Bürgler mit. Schon vor drei Jahren moderierte Stefan Zweifel, ehemaliger Moderator des «Literaturclubs», die Gespräche. Als Zweifel den «Literaturclub» im Schweizer Fernsehen moderierte, war Safranski einer der Kritiker. Er konnte den Philosophen und Schriftsteller für die Teilnahme am Festival gewinnen. Safranski ist mit seiner Biografie «Goethe. Kunstwerk des Lebens», erschienen vor zehn Jahren, genau der Richtige, um sein grosses Wissen zu teilen und Lust auf mehr Goethe zu wecken. In seinem Referat brachte der 80-Jährige das Leben Goethes in konzentrierter Form dem Publikum näher. Man lernte: Goethe verbrauchte seine Energie nicht im Zweifeln, er war ungeheuer neugierig auf die Welt, lernte im Briefeschreiben, was er später für seine Werke verwenden konnte, und war schon nach Erscheinen von «Die Leiden des jungen Werthers» eine Berühmtheit. Damit ist nur Weniges aus der Fülle herausgepickt. Ein genialer Coach seiner selbst «Ich bin etwas erschlagen», sagte Stefan Zweifel eingangs des Podiumsgesprächs über «die urpflanzliche Selbstentfaltung von Goethe durch die damalige Gesellschaft». Er fragte Safranski, wie die Landschaft auf Goethe gewirkt habe. «Goethe war sehr empfänglich für das Erhabene, für die Naturgewalten», so Safranski. Er habe sich selbst als Teil der Natur empfunden. Seine Naturliebe müsse man als Stimulus ansehen. Safranski bescheinigte Goethe eine genialische Autosuggestion.
«Er ist ein genialer Coach von sich selbst gewesen.»
Goethe habe es fertiggebracht, Regisseur seiner Werke zu bleiben. «Man kann von ihm Nüchternheit und Realismus lernen.» Auf eine eigenartige Weise habe er etwas Bodenständiges. In seiner frühen Frankfurter Phase, da habe Goethe nachts aufstehen müssen und nicht einmal die Zeit gehabt, das Blatt richtig hinzulegen, um loszuschreiben. Goethe erlebte laut Safranski die Poesie als Natureruption. Und der späte Goethe? Safranski bezeichnete ihn als «so etwas von aktuell, weil er in die Moderne hineinwächst». Goethe spreche da vom grauen Netz, keiner habe mehr Zeit, und es fehle die Luft zum Atmen.
Goethe hat den Autor reich beschenkt
Safranski wurde auch gefragt, was es mit ihm gemacht habe, sich so lange und intensiv mit Goethe zu beschäftigen. «Es ist sehr angenehm, seine Zeit mit Goethe zu verbringen.» Er habe sich bemüht, keine falsche Intimität zu erzeugen. Safranski schrieb atmosphärisch über den Dichter und sagte: «Bei Goethe wird man reich beschenkt.» Vor und nach dem inspirierenden Gespräch konnte man in Liedern von Fanny Hensel-Mendelssohn schwelgen, interpretiert von der Sopranistin Christiane Boesiger und der Harfenistin Cornelia Lootsmann.
Bote der Urschweiz / Silvia Camenzind
Autor
Bote der Urschweiz
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