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Wie ein Dorf von Welt in den Mittelpunkt rückt

Die Stiftung Kulturerbe Einsiedeln lanciert im Museum Fram ein Projekt für eine Dauerausstellung über die Geschichte des Klosterdorfs. Präsident Walter Kälin steht Red und Antwort über Ziel und Zweck der neuen Ausstellung in Einsiedeln.

Magnus Leibundgut: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Dauerausstellung zu lancieren?

Walter Kälin: Im Jahr 2010 öffnete das Museum Fram seine Türen: Seither sind im Museum Fram neun Wechselausstellungen über die Bühne gegangen. Wir haben diese Ausstellungen nach dem Weggang von Detta Kälin in wechselnden Konstellationen bewältigt und sind damit personell an die Grenzen gekommen. Im Unterschied zum Museum Fram verfügt etwa der Kulturverein Chärnehus Einsiedeln über eine beständige Ausstellungsgruppe, die für die Expositionen verantwortlich ist. So sind wir vor der Frage gestanden, entweder auf Ausstellungen fortan zu verzichten oder eine Dauerausstellung zu lancieren: So ist die Idee des Projekts «Ein Dorf von Welt» entstanden.

 

Ist die Zeit der Wechselausstellungen abgelaufen?

Nein, das glaube ich nicht. Häuser wie das Landesmuseum in Zürich oder das Vögele Kultur Zentrum in Pfäffikon bringen immer wieder vollends faszinierende und überzeugende Wechselausstellungen zustande. Auch das Chärnehus hat mit seinen Ausstellungen grosse Erfolge gefeiert und viel Publikum angezogen. Die Stiftung Kulturerbe Einsiedeln ist kaum in der Lage, langfristig solch anspruchsvolle Projekte stemmen zu können.

 

Was soll in der Dauerausstellung gezeigt werden?

«Ein Dorf von Welt», lautet der Arbeitstitel unseres Projekts. Der Name ist Programm: Die lange Geschichte Einsiedelns ist voll von spannenden Menschen und Geschichten, die weit in die Welt ausgreifen. Das Museum Fram möchte in der neuen Ausstellung eine Geschichte des Klosterdorfs erzählen, wie man sie noch nicht gehört und noch nicht gesehen hat: Alle, die sich für die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft Einsiedelns interessieren, sollen an der Dauerausstellung im Museum Fram einen Ort finden, an dem sie erfahren, was dieses «Dorf von Welt» ausmacht.

 

Gibt es bereits konkrete Objekte oder Positionen, die im Museum Fram ausgestellt werden sollen?

Wir zeigen Objekte aus dem Archiv des ehemaligen Benziger Verlags oder aus der Sammlung von Karl und Marie Hensler. Aber es werden auch Leihgaben aus dem Kloster Einsiedeln zu sehen sein, zum Beispiel der Copirtelegraphenapparat von Pater Athanas Tschopp: Der «Edison von Einsiedeln» gilt als der verkannte Erfinder des Faxgeräts. Natürlich werden auch Bücher und ihre Geschichten nicht fehlen, zum Beispiel «Unfehlbar? Eine Anfrage». Hierbei geht es um den Theologen Hans Küng und den «mutigen Benziger Verlag in Einsiedeln», wie Küng selber sagte, der im Jahr 1970 dieses Werk herausgegeben hat. Es stellte damals eine Provokation für die katholische Kirche par excellence dar.

 

Wird der Bogen vom Mittelalter über die Neuzeit bis in die Gegenwart gespannt werden?

In der Tat spannen wir den Bogen vom heiligen Meinrad über das Kloster Einsiedeln und Huldrych Zwingli, der als Leutpriester im Klosterdorf wirkte, bevor er als Reformator in die Geschichte eingegangen ist, bis in die Gegenwart. Der Benziger Verlag, über lange Zeit der grösste Arbeitgeber im Dorf, mit Filialen in New York, Cincinnati und anderen Städten in Übersee, hinterliess Spuren bis in die Gegenwart: Die Gründer und langjährigen Inhaber des erfolgreichen Diogenes Verlags, Daniel Keel und Rudolf C. Bettschart, stammten aus Einsiedeln. Keels Vater war bei Benziger Prokurator, Bettscharts Grossvater, ein Onkel und ein Cousin leiteten das Unternehmen als Direktoren. Die beiden hatten das Verlagsgeschäft also in ihrem Erbgut und dieses nach Zürich gebracht. Andere Einsiedler wanderten in die USA aus und sollen dort den Cheeseburger erfunden haben.

 

Rücken auch Menschen und Unternehmen aus der Gegenwart in den Fokus der Dauerausstellung?

Das ist der Fall. Thema der Ausstellung wird auch der jamaikanische Musiker Lee Scratch Perry sein, der dreissig Jahre lang im Klosterdorf lebte und hierzulande seine Liebe zur Schwarzen Madonna entdeckte. Vielleicht wird HLM thematisiert: Seit 14 Jahren beliefert die Leuthold Mechanik AG von Einsiedeln aus die ganze Welt mit Maschinen zur Produktion von Kaffeekapseln und anderen Aluminiumverpackungen. Ich sage bewusst «vielleicht», weil sich im Lauf der Arbeit die Schwerpunkte verändern können.

 

Worauf stützt sich das Projekt wissenschaftlich ab?

Die Region Einsiedeln war in den letzten zwei Jahrzehnten Gegenstand zahlreicher historisch ausgerichteter Forschungs- und Rechercheprojekte. Eine grosse Rolle spielte die Reorganisation des Klosterarchivs zu Beginn dieses Jahrhunderts, die zu zahlreichen akademischen Qualifikationsarbeiten führte. Wichtige Impulse zur Architektur- und Kulturgeschichte lieferten die beiden Einsiedler Bände von Werner Oechslin und Anja Buschow Oechslin in der Kunstdenkmäler-Reihe. Auch das Museum Fram und der Kulturverein Chärnehus haben Beiträge zur regionalhistorischen Forschung geleistet, sei es durch Ausstellungen und Kataloge, sei es durch Zugänglichmachung ihrer Sammlungen für Dritte. Unser Projekt stützt sich auf diese vielfältigen Forschungs- und Publikationsleistungen und verleiht ihnen Sichtbarkeit.

 

Werden auch neue wissenschaftliche Ergebnisse in die Ausstellung aufgenommen?

Als Beispiel dafür, dass wir in der Ausstellung neueste wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigen wollen, kann ein Projekt der Uni Bern dienen: Es wertet die Tagebücher von Pater Josef Dietrich (1645–1704) aus und digitalisiert sie. Bei uns heisst die Geschichte: «Was moderne Klimaforscher in den Tagebüchern des barocken Mönchs Josef Dietrich finden.»

 

Wie ist die Ausstellung gegliedert?

Geplant sind drei Kapitel: Im ersten Teil wird das Dorf im Schatten des Klosters thematisiert. Im zweiten Kapitel geht es um die moderne Wallfahrt und die blühende Industrie. Der dritte Teil beleuchtet die Gegenwart und ist betitelt mit «Halb Zentrum, halb Peripherie». Die Ausstellung beginnt mit einem animierten Kurzfilm des Einsiedlers Roman Kälin, einem mehrfach ausgezeichneten «Visual Effects Artist»: Er wirft ein ganz eigenes, neues Schlaglicht auf das Klosterdorf.

 

Was unterscheidet die geplante Dauerausstellung im Museum Fram von herkömmlichen Ausstellungen?

 Im Fokus steht eine modulare Ausstellungsarchitektur: Das Ausstellungsdesign ist so kreiert, dass es sich schnell an neue Bedürfnisse anpassen lässt – und das mit einem Mini-mum an finanziellem und personellem Aufwand. Schlüssel dafür ist ein modulares System, das im Lauf der Jahre nicht nur räumlich, sondern auch ästhetisch und inhaltlich veränderbar sein soll. Durch die Reduktion auf das Wesentliche ist das Design zeitlos und kann je nach den verfügbaren finanziellen Ressourcen weiterentwickelt und ergänzt werden. Auf diese Art und Weise gerät die Dauerausstellung nicht in Gefahr zu verstauben.

 

Können Sie uns das geplante Zukunftslabor näher beschreiben?

Im Zukunftslabor geht es darum, dass junge Einsiedlerinnen und Einsiedler von ihrem Leben «im Dorf», von ihrem Bezug zur lokalen Tradition und von ihren Wünschen, Träumen und Forderungen für die Zukunft erzählen.

 

Welche Rolle spielt die Stiftung Kulturerbe Einsiedeln?

Seit 22 Jahren gibt es die Stiftung Kulturerbe Einsiedeln, welche die Trägerschaft für das Museum Fram ist: Seit 15 Jahren bewahrt und erforscht das Museum Fram einen grossen Teil des Kulturerbes im Klosterdorf und macht dieses öffentlich zugänglich – bisher aber ausschliesslich mit Sonderausstellungen und auf Anfrage. Jetzt geht die Stiftung einen entscheidenden Schritt weiter: Sie will eine Ausstellung einrichten, welche die Besucherinnen und Besucher an vier Wochentagen willkommen heisst. Die Stiftung möchte die Einsiedler Bevölkerung mit ihren Wurzeln vertraut machen, bei den Tagestouristen und Pilgern das Interesse für ihr Reiseziel wecken.

 

Mit welchen Kosten rechnen Sie?

Wir rechnen mit Kosten in der Höhe von 390’000 Franken für die Infrastruktur, die Produktion der Ausstellung inklusive Film sowie die ersten drei Betriebsjahre.

 

Wie soll das Projekt finanziert werden?

Wir sind auf finanzielle Unterstützung angewiesen und erhoffen uns Beiträge vom Kanton, von Stiftungen und Institutionen, Banken und Unternehmen sowie Privatpersonen. Der Bezirk Einsiedeln hat uns ja bereits einen Betrag von 50’000 Franken in Aussicht gestellt.

 

Welche nächsten Schritte stehen auf dem Programm?

Die Verantwortlichen nahmen das Projekt schon vor längerer Zeit in Angriff: Heinz Nauer, Co-Kurator, leitet das Projekt, Giulia Passalacqua ist Co-Kuratorin, und Raphaël Barbier ist für die Szenografie verantwortlich. Die Ausstellung «Ein Dorf von Welt» soll am 28. Februar 2026 eröffnet werden.

 

Einsiedler Anzeiger / Magnus Leibundgut

Autor

SchwyzKulturPlus

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Publiziert am

04.04.2025

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