Musik
Abschied in Weh- und Frohmut nach 61 Jahren auf der Bühne
Am Lachner Dorffest tritt Willy Scherrer letztmals mit seinem Willy Scher Orchestra öffentlich auf. Er ist der letzte Vertreter der Ära der traditionellen Tanzmusik, bleibt aber voller Energie und Pläne.
Wer mit Willy Scherrer ins Gespräch kommt, schwelgt bald in Erinnerungen. Dies, weil der 79-jährige Reichenburger – er hatte am Mittwoch Geburtstag – ein intensives, farbiges, sportliches und vor allem musikalisches Leben verbracht hat. Genau dieses Leben erhält nun morgen Samstag eine wichtige Zäsur: Nach 61 Jahren auf der Bühne verabschiedet sich der Bandleader des Willy Scher Orchestra vom öffentlichen Publikum. Das Dorffest in Lachen mit dem Auftritt ab 18 Uhr auf dem Kreuzplatz bietet die passende Gelegenheit dazu. Dabei wird Willy Scherrer mit einer insgesamt achtköpfigen Combo inklusive Sängerin auftreten und einen Querschnitt durch die besten Unterhaltungssongs der vergangenen Jahrzehnte bieten. Grosse Abschiedsreden werde es sicher nicht geben, verspricht er, ein paar Dankesworte genügten.
Mit Leib und Seele Tanzmusiker und Agenturleiter
Dabei kommt man halt doch nicht um die Vergangenheit herum. So erfolgreich Willy Scherrer all die Jahre war, so bildeten doch die 1960er- bis 1980er-Jahre die grosse Zeit der Tanzmusik. 1964 war es, als der 18-Jährige, der bis zu seinem 15. Lebensjahr in Ägypten und Belgien aufwuchs, die Band «Ramona » gründete. Ein Jahr später begann die Zeit von «The Tigers». 1970 startete Willy Scherrer musikalisch und beruflich dann so richtig durch. Das damals gegründete Willy Scher Orchestra sollte 55 Jahre bis zum heutigen Tag Bestand haben, teils mit den stets gleichen treuen Seelen. Professionell führte er nicht nur die Band musikalisch und organisatorisch, sondern er konnte sich auch mit seiner Musik- & Künstleragentur Scherrer einen hervorragenden Namen schaffen. Zuerst sei er in Jona, dann mitten in Rapperswil, ab 1980 dann in Reichenburg ansässig gewesen. Das hat auch mit dem Dancing Bahnhöfli in Reichenburg zu tun, das er damals zusammen mit Walter Wild ersteigern konnte. Womit wir wieder bei den Hunderten von unvergesslichen Auftritten als Tanzband und den Tausenden von vermittelten Engagements angelangt sind – zu deren Beschreibung der Platz hier nicht reicht. Jedenfalls weilt Willy Scherrer auch heute noch regelmässig in seinem Büro in Reichenburg und macht all die Arbeit, die immer noch anfällt. Natürlich ist der bald 80-Jährige heute eine Ein-Mann-Firma. In den besten Zeiten der Live-Bands allerdings beschäftigte er acht Personen. Insgesamt hat er auch 13 Lehrlinge ausgebildet, allesamt junge Frauen. Nur seinen eigenen Sohn habe er auch zu sich in die Stifti genommen, meint er lachend. Allerdings eher, um ihm die Vorbereitung als Tennisprofi zu ermöglichen. Tatsächlich kennt man Jean-Claude Scherrer heute bestens dank seiner Tennis-Academy in Wangen.
Privates Glück gefunden – auch im Sport
Womit wir beim Privatleben angekommen sind. Dabei bilden Willy Scherrer und seine Frau Helene ein unzertrennliches Paar. Sie sei immer eine sehr grosszügige Frau gewesen, blickt er dankbar auf die Zeiten zurück, als er stets auf Achse war. Tochter Nadine und inzwischen drei Enkel komplettieren das private Glück. Konnte er dieses Glück viele Jahre nach der offiziellen Pension denn nicht längst uneingeschränkt geniessen? Schon, aber mit der Verantwortung für die Band, die nun wegfalle, fühle er sich wirklich erleichtert, räumt er ein. Und ja, klar werde er weiter Musik machen. Hatte er damals Klavier gelernt, dann auch Saxophon gespielt und sich schliesslich aufs Schlagzeug konzentriert, so übt er heute fleissig auf dem Akkordeon. «Numme nöd gschprängt» heisse das Ensemble, in dem er aktiv sei. An geschlossenen Gesellschaften werde er auch sonst hie und da auftreten, gibt er zu. Wobei es einen fixen Termin im Kalender gibt, den Willy Scherrer dick angestrichen hat. In einem Jahr, kurz nach seinem 80. Geburtstag, werde er dann auch den letzten inoffiziellen Auftritt haben, versichert er. Dann werde er wirklich nur noch für sich musizieren. Seine beiden weiteren Hobbys, das Tennis, das ihn sein ganzes Leben begleitet hat, sowie das Golfen, das er in den letzten Jahren intensiviert hat, werde er aber sowieso so lange wie möglich weiter betreiben.
Für ein ganzes Jahr nach Gran Canaria
Willy Scherrer treibt aber noch ein ganz anderes ambitioniertes Projekt voran: Die Scherrers reissen bald ihr Haus an der Bahnhofstrasse in Reichenburg ab und ersetzen es durch ein modernes Gebäude, dessen Attikawohnung sie dann bewohnen können. Fragt sich also, wo sie während der Bauzeit denn unterkommen werden? Die Antwort verblüfft nur auf den ersten Blick, erstaunt aber nicht, wer Willy Scherrer kennt: «Wir begeben uns für ein Jahr nach Gran Canaria», verrät er. Irgendwie lässt sich kaum vorstellen, dass sich der topfitte Senior tatsächlich zurückziehen wird. Öffentlich vielleicht schon, aber der Privatmann ist noch voller Energie. Morgen Samstag wird diese Energie ein letztes Mal für alle von der Bühne in Lachen überspringen...
Höfner Volksblatt und March-Anzeiger / Andreas Knobel
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