Am Jubiläumsspecial wurde die Inszenierung aus dem Jahr 1924 (Bild / Foto Uli Schulte) der diesjährigen gegenübergestellt.
Am Jubiläumsspecial wurde die Inszenierung aus dem Jahr 1924 (Bild / Foto Uli Schulte) der diesjährigen gegenübergestellt.
Am Jubiläumsspecial wurde die Inszenierung aus dem Jahr 1924 der diesjährigen (Bild / Foto Sophie Schlögl) gegenübergestellt.
Am Jubiläumsspecial wurde die Inszenierung aus dem Jahr 1924 der diesjährigen (Bild / Foto Sophie Schlögl) gegenübergestellt.

Bühne

Musik

«Das Welttheater soll verwandeln»

Am Donnerstagabend öffnete das Welttheater Einsiedeln seine Pforten für ein ganz besonderes Jubiläum: 100 Jahre nach der ersten Aufführung erlebte das Publikum das Welttheater zum 17. Mal in seiner eindrucksvollen Geschichte – mit einem Jubiläumsspecial.

Im Jahr 1924 wurde «el gran teatro del mundo» von Pedro Calderón de la Barca in Einsiedeln als Freilichttheater inszeniert. 100 Jahre und 16 Spielperioden später wurde das Jubiläum gebührend gefeiert: Das Publikum war eingeladen, zusammen mit der Welttheatergesellschaft Einsiedeln und zahlreichen prominenten Besucherinnen und Besuchern das Jubiläum festlich zu begehen. Die Jubiläumsaufführung am Donnerstagabend auf dem Klosterplatz stand wettermässig unter einem guten Zeichen und startete mit einem speziellen Vorprogramm: Eine Stunde vor der eigentlichen Aufführung sind die Gäste zu einem Jubiläumsereignis eingeladen worden. In einem Special, das rund eine halbe Stunde dauerte, wurde der Aufführung aus dem Jahr 1924 die aktuelle Inszenierung 2024 gegenübergestellt. Das Überraschungsprogramm stand unter der Leitung von Lukas Bärfuss (Text), Livio Andreina (Regie) und Claudia Capecchi (Produktion). Im Special kamen verschiedene theatralische Element zum Ausdruck (Figuren, Handlungen, Requisiten, Text und Sprache sowie Musik). Lukas Bärfuss und Livio Andreina führten in der Form eines Gesprächs mit dem Publikum durch die einzelnen Szenen und musikalischen Elemente.

 

Wie der Arme im Busen der Welt zu liegen kam

Kurz vor 20 Uhr erklingen die Fanfaren auf der Treppe auf dem Klosterplatz. «Vor hundert Jahren, am 15. August 1924, ging die allererste Aufführung des allerersten Welttheaters über die Bühne», sagte Lukas Bärfuss. «Seither haben 17 Inszenierungen diesen Klosterplatz belebt und durcheinandergewirbelt, Einsiedeln in Bewegung gebracht, die Welt eingeladen und die Herzen erwärmt», ergänzte Livio Andreina. Lukas Bärfuss interviewte Persönlichkeiten, die in den Aufführungen des Welttheaters wesentliche Rollen gespielt haben. Zum Beispiel Hans Iten als Bauer, der während ganzen neun Spielperioden beim Einsiedler Welttheater mitmachte. Oder Gerlinde Schlumpf, die im Jahr 2000 als Welt die prägendste Figur des Spiels war: «Ich hauste in einem Loch unter dem Klosterplatz und fuhr mit einem Velo voller Kondome davon, was zum Protest von Leuten führte, welche die Entehrung des Klosterplatzes befürchteten.» Prompt demonstrierten Piusbrüder gegen die ihrer Meinung nach gotteslästerliche Aufführung des Welttheaters. Moritz Kälin war derweil der Arme – ein Leichtgewicht mit seinen sechzig Kilogramm, wie er da auf dem Busen der 150 Kilogramm schweren Welt zu liegen kam. «Viel Arbeit, viel Verantwortung. Das kann man nicht alleine. Deshalb macht man es zusammen mit der Welttheatergesellschaft. Zusammen mit dem Vorstand der Welttheatergesellschaft. Zusammen mit dem Präsidenten des Vorstands der Welttheatergesellschaft. Zusammen mit dem unvergleichlichen James Kälin», sagte Livio Andreina.

«Nicht alles hat allen gefallen – doch murret nicht» 

Fanfaren erklingen, und James Kälin begrüsst das Publikum und Abt Urban Federer. «Damals im Jahr 1924 war es wirklich ein Theater, als die Schweizer Fussballer in Paris Europameister geworden sind, aber um ein Haar den Halbfinal verpasst haben, weil sie kein Geld für die Übernachtung im Hotel hatten. Dank einer Spendenaktion, das vielleicht erste Crowdfunding in diesem Land, konnten sie im Turnier verbleiben», schilderte Abt Urban: «In jener Zeit sind Volksspiele aufgekommen, Theateraufführungen unter freiem Himmel, bei denen das Wir-Gefühl gestärkt wurde. Auf diese Weise ha-ben Katholiken und Reformierte zusammengefunden. Frühere barocke Gewissheiten sind Fragen gewichen, die jetzt der Klosterplatz als Ort des Geschehens stellt.» «Nicht alles hat allen gefallen. Wir haben darüber gesprochen. Haben ein Gespräch geführt über die Welt und das Theater. Am besten hat mir im Speiseraum des Klosters der Spruch an der Wand von Benedikt gefallen: Murret nicht!», sagte Bärfuss zu Abt Urban. «Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft, vielen Dank für Ihre Offenheit, vielen Dank, Abt Urban», sagte Andreina.

 

Wettbewerb lanciert für eine Strophe des Welttheaterlieds

Nun erfolgte ein Auftritt der Figuren aus dem Spielvolk: «Das Welttheater soll berühren, es soll begeistern, erfreuen, zum Nachdenken anregen, es soll verwandeln.» «Da uns all zu einem Schauspiel dieses Leben hat vereint, und denselben Pfad wir wandeln, lasset durch Gespräch den Weg uns kürzen in Vertraulichkeit», sagte der König. «S’gäb ja wahrlich keine Welt ohne die Geselligkeit», ergänzte die Schönheit. «Bringe jeder ein Geschichtchen», fasste der Reiche zusammen. Ein Satz, der durch Mark und Bein ging: «Die Welt ist gross und gefährlich. Wie das Theater. Wer einmal drin ist, muss das Ende erwarten, bis er wieder raus kann.» Dann sangen alle mitsamt dem Publikum die erste Strophe des Welttheaterlieds: «Hüt sind mir chli, und morn sind mir gross, hinde tuet’s ände, aber vorne geit’s los. Ja, so geit’s i däm Wälttheater, einisch gwinnt d ’Muus, einisch dr Kater.» Bis Bärfuss unterbrach: «Wir haben einen Wettbewerb. Schreiben Sie uns eine Strophe des Welttheaterlieds. Es ist ganz einfach: Vier Zeilen, die zweite und die vierte Zeile reimen sich. Schicken Sie Ihren Beitrag an lied@welttheater.ch. Wir freuen uns!» Zum Abschluss des Vorprogramms sagte Livio Andreina: «Das isch wie im Theater. Me muess höre, dass me cha afa. Gleich beginnt das Welttheater. Bleiben Sie sitzen. Geniessen Sie die Atmosphäre und die Vorbereitung. Vielen Dank und bis gleich!» Kurz vor 21 Uhr ist es so weit: Die Jubiläumsaufführung 100 Jahre Welttheater Einsiedeln startet.

 

Einsiedler Anzeiger / Magnus Leibundgut

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne
  • Musik

Publiziert am

17.08.2024

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