Zur Freude aller wurden etliche vom 1983 verstorbenen Martin Oechslin komponierte Ländlermusikstücke entdeckt. Bild Marlies Mathis
Zur Freude aller wurden etliche vom 1983 verstorbenen Martin Oechslin komponierte Ländlermusikstücke entdeckt. Bild Marlies Mathis
Auch in gesetzterem Alter war der Egger Musikant und Komponist Martin Oechslin im Element, wenn er auf seiner Klarinette spielte.
Auch in gesetzterem Alter war der Egger Musikant und Komponist Martin Oechslin im Element, wenn er auf seiner Klarinette spielte.
Der Volksmusikkenner Pius Ruhstaller (rechts) und Christian Oechslin, der Sohn des Egger Ländlermusikanten und Komponisten Martin Oechslin, verstehen sich auf Anhieb und begutachten dessen alte Klarinette und sein ebenso in die Jahre gekommenes Saxophon. Bild Marlies Mathis
Der Volksmusikkenner Pius Ruhstaller (rechts) und Christian Oechslin, der Sohn des Egger Ländlermusikanten und Komponisten Martin Oechslin, verstehen sich auf Anhieb und begutachten dessen alte Klarinette und sein ebenso in die Jahre gekommenes Saxophon. Bild Marlies Mathis
Mitte der 1940er-Jahre spielten (von links) Richard Birchler (Gidi-Richard), Martin Oechslin, Stefan Oechslin und Gottfried Füchslin an der Einsiedler Chilbi zur Unterhaltung auf. Bilder zvg
Mitte der 1940er-Jahre spielten (von links) Richard Birchler (Gidi-Richard), Martin Oechslin, Stefan Oechslin und Gottfried Füchslin an der Einsiedler Chilbi zur Unterhaltung auf. Bilder zvg

Musik

Alte Volksmusik-Kompositionen entdeckt

Der Egger Klarinettist Martin Oechslin (1919–1983) hat auch komponiert, was kaum bekannt ist. Spannend und überraschend sind die Geschichten des in Gersau lebenden Einsiedler Volksmusikkenners Pius Ruhstaller, die er zu alten Kompositionen zu erzählen weiss. Umso mehr freut es ihn, wenn er, wie vor Kurzem, plötzlich unbekannte Werke in der Hand hält.

Es stimmt anscheinend doch, dass man beim Coiffeur zu Informationen gelangt, die man sonst nicht erhält. Zumindest könnte man das aufgrund der nachfolgenden Geschichte glauben. Wie immer wird beim Besuch der Schreibenden bei ihrer Coiffeuse Ursi Oechslin über Gott und die Welt geplaudert, und so ist das Gespräch zufällig auf das vom verstorbenen, langjährigen Egger Lehrer Paul Brandenberg geschriebene Lied «S’Egger Dörfli» gekommen, da ihr Mann Christian ja im Viertel am Etzel aufgewachsen ist. «Dieses Stück hängt doch, soviel ich weiss, bei uns eingerahmt an der Wand», meint dann Ursi Oechslin, was bei ihrer Kundin, also bei mir, grosses Erstaunen auslöst. Ich selber habe nämlich die Melodie und die drei Strophen dazu vor vielen Jahren von Hand aufgeschrieben, da die Noten und die Texte dazu nicht mehr auffindbar gewesen waren.

Sofort wird die Komposition geholt, und da zeigt sich dann, dass der Titel Ähnlichkeiten aufweist, aber eben «Im Eggerländli » heisst. Komponiert hatte das Stück der 1983 verstorbene Martin Oechslin, Christians Vater, der aus der bekannten Musikantenfamilie Oechslin aus Egg stammte. Sein noch heute dort lebender 96-jähriger Bruder Notker sowie sein verstorbener Bruder Stefan waren ebenfalls begnadete Musiker und spielten an den verschiedensten Anlässen Unterhaltungsmusik, nebst dem, dass sie auch Mitglieder der Musikgesellschaft Egg waren.

In den richtigen Händen


Die Komposition entpuppt sich als Instrumentalstück für Klarinette, und arrangiert hat es Martins Kollege, der ebenfalls sehr bekannte Einsiedler Musiker Fredy Marty (1926–2004). Ursi Oechslin ergänzt dann wie beiläufig, dass ihr Mann noch eine ganze Schublade voller Noten habe, die schon seit Jahren, ja Jahrzehnten dort drin liegen würden. Da ist natürlich meine Neugier geweckt, und ich darf mich durch all die musikalischen Trouvaillen ackern. Ebenso ist mir sofort klar, dass ein Fachmann all diese Stücke oder zumindest jene, die auf losen Blättern notiert sind und den Namen des Komponisten Martin Oechslin tragen, ansehen und sichern sollte. Gesagt, getan!

Dank eines Tipps des ehemaligen Bennauer Lehrers Ruedi Birchler setze ich mich in Verbindung mit dem in Gersau wohnhaften Einsiedler Pius Ruhstaller. Der aktive und leidenschaftliche Musikant, der beruflich als Sachbearbeiter in der Kulturförderung des Kantons Schwyz tätig ist, hat bereits drei Schwyzer Hefte zum Thema Volksmusik herausgegeben und damit die Ländlermusik, ihre Geschichte( n) und Formationen im Kanton präzis und ausführlich dokumentiert. Ausserdem hat er als Hobby in den letzten Jahren gegen 15’000 «Tänze» gesammelt. Diese werden zurzeit daheim digitalisiert, damit sie der Nach-welt erhalten bleiben und dank einer übersichtlichen Katalogisierung auch schnell gefunden werden können.

Überraschende Funde


So haben sich nun vor Kurzem die Beteiligten zum Austausch getroffen, und die Freude und die Überraschung waren auf allen Seiten gleichermassen gross. Schon bei einem der ersten Notenblätter schmunzelt Pius Ruhstaller: «Dieser Musikant hat geraucht. » Auf die fragenden Blicke erklärt er, dass das Notenbüchlein angesengte Blattränder aufweise. Früher sei es gang und gäbe gewesen, dass die Musikanten zwischen den Stücken geraucht und die brennende Zigarette auf den Notenständer gelegt hätten, sodass aus Versehen ab und zu ein Notenblatt Feuer gefangen habe. Der gebürtige Einsiedler Musikant und Autor, der sich seit seiner Jugend mit der Schweizer Volksmusik befasst, zieht die Anwesenden mit all den Geschichten, die er zu den etlichen Kompositionen auf losen Blättern und den Musiknoten-Büchlein der verschiedenen Musikverlage kennt, geradezu in den Bann. «Das war unser Hochzeitstanz», lacht er, als er das Stück «Heimweh» des Ibächler Komponisten Hermann Lott entdeckt. «Dieses Notenblatt ist sogar ein Original des bekannten Kasi Geisser!», und sogleich klärt er auf, dass er dessen charakteristische Notenhandschrift erkenne. Früher hätten die Komponisten ihre Stücke meist von Hand abgeschrieben und dann als einzelne Blätter verkauft, da man noch keinen Kopierer gekannt habe, ergänzt er seine Ausführungen.

Viele Musiker und Komponisten hätten übrigens damals nach der Heirat ihr Hobby aufgeben oder zumindest reduzieren müssen; Familie und Beruf standen dann im Vordergrund. Nicht selten habe auch die Ehefrau ein Ultimatum gestellt: entweder Familie oder Musik! Die Tätigkeit als vollberuflicher Ländlermusikant habe damals wie heute zu wenig Geld eingebracht, damit es zum Leben gereicht hätte. So gingen leider manch musikalisches Talent und gewiss auch schöpferische Werke verloren.

Auch für Pius Ruhstaller neu


Umso erfreulicher ist es, dass der 46-jährige Volksmusikfachmann zwischen den zahlreichen Unterlagen auch einige unbekannte Kompositionen des Egger Klarinettisten Martin Oechslin findet. «Klemens trinkt Stierenblut», «Klänge vom Schönboden », «Chur-Thusis im Schuss» heissen einige der Anfang der 1940er-Jahre entstandenen Stücke, die auch der vielseitige Ländlermusikant nicht kennt. «Es wäre jeweils interessant zu erfahren, welche Geschichten hinter der Entstehung dieser Titel stecken», äussert Pius Ruhstaller einen wohl unerfüllbaren Wunsch. Er, selber ebenfalls aktiver Klarinettist und seit 2005 Kapellmeister der Ländlerkapelle «Echo vom Gätterli», ergänzt, dass Martin Oechslin in jungen Jahren beim Einsiedler Musiker und Komponisten Martin Beeler senior Musikunterricht genossen habe. Der musikalische «Alleskönner» Ruhstaller, der nebst Klarinette noch Saxophon, Bass, Schwyzerörgeli und Akkordeon spielt, wird nun einerseits die unbekannten Stücke von Martin Oechslin digitalisieren und andererseits mit seinen Musikkollegen im Homestudio aufnehmen und Martins Sohn Christian zum erstmaligen Anhören schicken.

Dieser hat das musikalische Talent seines Vaters gewiss ebenso ein Stück weit geerbt, hat er doch auch eine Weile Trompete in der MG Egg und jeweils am Dienstagabend beim legendären Musikantenhöck auf dem St. Meinrad Schwyzerörgeli gespielt. «Es wäre einfach interessanter gewesen, zu zweit zu üben und aufzuspielen. Da dies nicht möglich war, habe ich dann halt lieber gejasst», lacht er entschuldigend. Aber was nicht ist, kann ja noch werden, zumal ihn diese spannenden musikalischen Neuentdeckungen seines Vaters vielleicht wieder zum Musizieren anspornen könnten, auch wenn er selber nicht Klarinette spielt. Dieses Instrument seines Vaters liegt zwar ebenfalls zusammen mit dessen Saxophon im Fundus. Ersteres kann man laut Pius Ruhstaller aber nicht mehr reparieren, während das Saxophon nach etlichen Jahrzehnten vielleicht wieder zu neuem Leben erweckt werden könnte.

Einsiedler Anzeiger / Marlies Mathis

Autor

Einsiedler Anzeiger

Kontakt

Kategorie

  • Musik

Publiziert am

01.04.2022

Webcode

www.schwyzkultur.ch/UsZ7rC