Literatur
mmm: 01 – Blog Martina Mächler
Ich werde über die Dauer der leicht veränderten Version des sonstig kompakteren Schwyzer Kulturwochenendes, das sich nun in seiner digitalen Form über ein halbes Jahr erstreckt, Blog-Beiträge verfassen, welche jede zweite Woche montags erscheinen. Gerne möchte ich mich deshalb erstmal kurz vorstellen.
Liebe Besucher*innen des kulturON, liebe Leser*innen
Letztes Jahr hätte ich meine performative Lesung «Brauche ich wirklich einen Stuhl oder braucht der Stuhl mein Verlangen nach ihm mehr?» während des Kulturwochenendes im Bundesbriefmuseum aufgeführt. Es ging mir dabei um Stabilität, welche durch einfache (Infra)Strukturen, die leicht übersehen und gewöhnlich sind, generiert werden. Ich wollte den Wunsch nach Stabilität aufzeigen. Vielleicht ein etwas gefangener Blick darauf, was Stabilität geben und sein kann. Wie sie generiert und reproduziert wird. Und ich wollte mich vor allem um den Moment des unerwarteten Stürzens drehen, welcher zwar weh tut, aber in seiner Unsicherheit andere Blickwinkel zulässt und andere Formen des Lebens fühl- und denkbar macht.
Die Zeit hat sich seit dem letzten Jahr verändert. Genauer eher die Relation. Es gab viele Momente, in welchen ich in alle Richtungen floss und in anderen fühlte sich die Zeit eingefroren an. Aber ich wusste natürlich, dass sie nicht stillstand. Es ist ja auch so, dass das fliessende Wasser aufgrund äusserer Umstände eine andere Form annimmt und ein Einfrieren erst durch das Weiterlaufen der Zeit und eine Aussenperspektive wahrnehmbar wird.
Nebstdem, dass einige Eiswürfel in immer besser-werdenden Negronis gelandet sind und ich rausfand, dass ich höchstwahrscheinlich ein Morgenmensch bin, habe ich während dem ersten Lockdown Clarice Lispector kennengelernt. Genauer genommen einige ihrer Bücher, welche mir Gesellschaft leisteten. Immer wieder musste ich seither an Agua Viva denken, das erstmals 1973 auf Portugiesisch erschien und dessen Übersetzung ins Englische von Stefan Tobler aus dem Jahr 2012 ich las. An was ich zurückdachte, waren Empfindungen und Augenblicke, wenige konkrete Stellen, die kamen und schwierig zu fassen waren, weil es aus der Perspektive eines Ichs erzählt wird, das in einem sich immer erneuernden Jetzt lebt. Es hat mir eine andere Zeitlichkeit ermöglicht, in die ich lesend eintauchte und welche ich körperlich wahrnahm. Ich wollte dieses Gefühl des Lesens, eigentlich nur das Buch, einem Freund beschreiben. Es fiel mir nicht einfach. Ich hatte es mithilfe einer Skizze mit schwarzen nicht-immer-geschlossenen Kreisen (einige sahen eher wie kleinen Wellen aus) und einer gelben Linie versucht, welche sich über das Postkartenformat ausbreitete, meist in den Räumen zwischen den Kreisen hindurchfloss, sich selbst manchmal tangierte und somit alles zusammenhielt, ohne dass die Kreise eingenommen wurden. Eine Textstelle hatte ich mir aber markiert: «So writing is the method of using the word as bait: the word fishing for whatever is not a word.. When this non-word — between the lines — takes the bait, something has been written. Once whatever is between the lines is caught, the word can be tossed away in relief. But that’s where the analogy ends: the non-word, taking the bait, incorporates it.»
Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, welches nach einer Vielzahl Bächen benannt wurde, Ich habe das Mundart-Wort für «viele» nie nachgeprüft und könnte somit falsch liegen. Erst kürzlich habe ich begonnen nach einigen der Bächen und kleinen Gewässern zu suchen, um genauer zu verstehen. Ich verspreche auf keinen Fall einen roten Faden, aber vielleicht einer Idee von Wasser und Gewässer zu folgen, zwischen Worten, Bilder und Arbeiten zu sein.
Bis in zwei Wochen,
Martina
Autor
SchwyzKulturPlus
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- Literatur
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