Bühne
Livia Stampfli: «Es wurde ein Stück über das Warten auf den Frieden»
Livia Stampfli leitet seit 2023 das Einsiedler Stiftstheater. Im Interview erklärt sie Entstehung und Hintergrund ihres Stücks «Warten», das sie im kommenden März mit 24 Schülerinnen und Schülern uraufführen wird.
Eugen von Arb: Wie ist Ihr Theaterstück «Warten » entstanden?
Livia Stampfli: Das Stück ist entstanden, weil ich mir vorgenommen habe, auf die Schülerinnen und Schüler, die ich bereits kenne, eine Rolle zu schreiben. Es kamen zwar noch einige Schülerinnen aus anderen Klassen hinzu, die mir weniger bekannt sind. Die grossen Rollen wurden jedoch alle für jene geschrieben, die ich kenne, weil ich damit ihre Charaktere aufgreifen und sie schauspielerisch herausfordern wollte.
Das Stück spielt im Schützengraben eines fiktiven Kriegs – wie aktuell ist für Sie der Bezug auf den Krieg?
Es war sicher ein Ziel von mir, das Thema Krieg aufzugreifen, und die Jugendlichen in dieser Aktualität abzuholen, weil es momentan ein so grosses Thema ist in der Welt. Dabei wollte ich aber die Gewalt thematisieren, ohne sie physisch zu spielen. Die Leere und die Schwere, die dadurch entstehen, sind für mich aber ebenfalls gewaltvoll. Inhaltlich sollte es eigentlich ein Stück über den Krieg werden, doch dann wurde es zu einem Stück über das Warten auf den Frieden.
Der Krieg wird nicht im Kampf gezeigt, sondern nur als Gammelleben im Schützengraben – warum?
Mein Ziel ist es, den Pazifismus in den Gedanken der Schülerinnen zu fördern. Ich hatte das Gefühl, dass wenn ich alles andere als den Kampf betone, gehen auch ihre Gedanken in diese Richtung. Wir sind übersättigt von der Brutalität, von den täglichen Bildern mit Bomben, Gewalt und Verletzungen. Die emotionale Brutalität sehe ich jedoch nicht in den Medien. Mein Ziel war es, diese zweite Ebene spürbar zu machen. Ich wollte aber auch nicht, dass das Stück nur traurig und tragisch wird und habe darum den Alltag der Soldaten aufgezeigt. Der Alltag geht immer weiter, auch in einem Schützengraben.
Bis auf zwei Akteure spielen ausschliesslich junge Frauen mit – ist das beabsichtigt?
Nein, das ist nicht beabsichtigt. Ich wäre sehr glücklich, gäbe es noch mehr junge Männer, die ins Theater kommen. Aber es war auch eine Herausforderung für mich, all diese zarten Mädchen in den Krieg zu schicken. Auch visuell, zum Beispiel durch ihre Zöpfe, ergeben sich viele spannende Kontraste.
Die Soldatinnen unter ihrer Hauptfrau sind harte Kämpferinnen. Was unterscheidet sie von Männern in Uniform?
Vielleicht ist es schwieriger für sie, unter dieser Hauptfrau zu bleiben als für Männer. Sie lehnen sich immer wieder gegen sie auf, und ihr Status wird bis am Schluss in Frage gestellt. Vielleicht sind Frauen rebellischer und können diese Ordnung weniger gut akzeptieren als Männer, die darum auch besser für das Militär geeignet sind.
Der Alltag im Schützengraben macht stumpfsinnig, immer mehr Soldatinnen sterben. Wie lange kann Frau das aushalten?
Bis zum bitteren Ende. Das ist auch das Stumpfsinnige am Krieg. Es sterben zwar immer mehr ihrer Kameradinnen, das reicht aber nicht, um zu sagen: «Ich gebe auf und gehe jetzt, um mein Leben zu schützen.» Ich glaube, so ist es auch in der Realität, dieses stumpfsinnige Verbot, selbst zu denken und zu reflektieren. Gleichzeitig gibt es weniger Egoismus und eine Unterordnung des eigenen Lebens unter die militärische Gruppe.
Ich kenne den Schluss des Stücks nicht – haben Glück und Frieden überhaupt eine Chance?
Ich glaube,das grosse Glück und der wahre Frieden haben keine Chance. Was aber eine Chance hat, sind die kleinen Glücksmomente, die ich versuche auszuspielen. Sei es eine Tanzszene oder ein Moment, in dem man Kunst produziert. Das zeigt sich beispielsweise an den Gewehren, die ich im Fundus des Stiftstheaters gefunden habe. Mein erster Reflex war, dass ich sie niemals für ein Kriegsstück verwenden würde. Dann entstand die pazifistische Idee und die Aufgabe an die Schülerinnen, die Gewehre so zu gestalten, dass sie alles machen, nur nicht schiessen. Man darf mit diesem Gewehr nicht töten. So entstanden 24 völlig kreativ gestaltete Gewehre, darunter ein «Tetris-Gewehr» oder ein «Kochlöffel-Gewehr». Und wenn die Soldatinnen in den Krieg gehen, lassen sie ihr Gewehr im Schützengraben.
Warum ist das Warten auf das Glück oder auf den Frieden stets im Zentrum?
Ich finde das Warten einen spannenden Zustand. Vor allem bei Erwachsenen ist das Warten der einzige Moment, der es zulässt, das Langeweile aufkommt. Ich finde das Warten auch aus philosophischer Sicht interessant, weil es einen zwingt, sich mit sich selbst und seiner unmittelbaren Umgebung auseinanderzusetzen und im besten Fall zu reflektieren. Darum ist das Warten für mich ein Glückszustand, den man aber auch ertragen muss im Kontext des Krieges, in dem unsicher ist, ob der Frieden kommen wird. Ich habe auch das Gefühl, dass die Menschen sehr oft wartend leben, weil sie sich in Gedanken ständig im Morgen oder im Übermorgen befinden. Doch im Schützengraben ist dieses ersehnte Morgen viel weiter weg.
«Das Glück fällt nicht vom Himmel» oder «Jeder ist seines Glücks Schmied» heisst es in Sprichworten – ist es richtig auf das Glück zu warten?
Ob es richtig ist, weiss ich nicht. Aber es ist hoffnungsvoll. Zum Schmied des eigenen Glücks zu werden braucht manchmal auch Mut. Gerade im Krieg braucht das Mut. Ich habe das Glück selbst nicht in dieser Situation zu sein, stelle mir den Akt des Widerstands aber sehr schwierig vor, wenn man so mitten drin ist. Mut zum Widerstand braucht auch Zeit, um zu wachsen. Auch ich habe Mut gebraucht, ein Stück über dieses Thema zu schreiben, weil ich weiss, dass es viel einfacher ist, lustig zu sein. Es hätte sich für mich falsch angefühlt, mich nicht mit dem jetzigen Thema auseinanderzusetzen, das so aktuell und so intensiv ist. Sind Sie selbst ein geduldiger Mensch? Ich lerne es immer mehr (lacht). Ich glaube, Aussenstehende würden sagen, ich sei ein geduldiger Mensch. Aber vielleicht kann ich meine Ungeduld auch einfach gut überspielen.
Spieldaten
21./22. März jeweils 19.30 Uhr / 23. März um 17.00 Uhr sowie 28./29. März um 19.30 Uhr
Einsiedler Anzeiger / Eugen von Arb
Autor
Einsiedler Anzeiger
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