Emanuela als Königin und harte Regentin. Bilder Emanuel Ammon
Emanuela als Königin und harte Regentin. Bilder Emanuel Ammon
Der Autor erklärt dem Kind Emanuela was sie erwartet.
Der Autor erklärt dem Kind Emanuela was sie erwartet.
Michaela Trütsch spielt die Welt und diese wütet auf der Bühne.
Michaela Trütsch spielt die Welt und diese wütet auf der Bühne.
Gier und Macht kennen keine Grenzen.
Gier und Macht kennen keine Grenzen.
Das Vieh zerstört die Felder und tötet die Tiere der Bauern.
Das Vieh zerstört die Felder und tötet die Tiere der Bauern.
Und sie fliegen doch, die Tauben (Bild Generalprobe).
Und sie fliegen doch, die Tauben (Bild Generalprobe).
Die vier Emanuelas am Schluss auf der Bühne.
Die vier Emanuelas am Schluss auf der Bühne.
Am Schluss leuchtet der Mond einsam über dem Klosterplatz - der unerreichbare Antipol zur Erde, der ohne Sünde ist, aber eben auch ohne menschliches Leben.
Am Schluss leuchtet der Mond einsam über dem Klosterplatz - der unerreichbare Antipol zur Erde, der ohne Sünde ist, aber eben auch ohne menschliches Leben.

Bühne

Literatur

Musik

Eindrückliche Premiere zum 100 Jahr Jubiläum des Einsiedler Welttheaters

Mit der 17. Ausgabe des Welttheaters in seinem 100. Jubiläumsjahr wird ein fantastisches Spektakel für Sinn, Geist und Auge geboten. Mit «Volkstheater » auf hohem Niveau interpretieren Lukas Bärfuss und Livio Andreina die Grundidee des Stücks neu und stossen auf Begeisterung.

Das Ganze beginnt mit einer Panne und einem herzhaften Fluch zweier Möbelpacker, die tolpatschig ein Riesenpaket über den Klosterplatz zerren und offenbar im falschen Stück gelandet sind: «Himmel Hergott Donnerwetter! » Damit wäre schon Mal der Standort der Welt irgendwo zwischen Himmel und Hölle abgesteckt. Trotz pompösem Glockengeläut machen die aufmarschierten Archetypen des Welttheaters eine ziemlich jämmerliche Figur, und bald betritt der «Meister» die Bühne und sagt das Stück ab. «No show today!» Doch dagegen protestieren die beiden ungezogenen (statt ungeborenen) Kinder Emanuela und Pablo lauthals: «Ich wott spilä!» Sie machen sich über die alten Figuren lustig: «Ein König ohne Untertanen ist kein König! Jeder regiert selbst!» Die Jugend stiehlt der alten Entourage buchstäblich die Show und verweist sie an den Bühnenrand. Die Vernunft flieht verstört von der Bühne – sie hat in dieser Welt nichts zu suchen. Ab hier lenkt Autor Lukas Bärfuss die Geschichte des Welttheaters in seine ganz eigenen Bahnen.

 

Lebensgier wird zu Machtgier

Die ausgelassene und zynische Welt-Figur verführt die beiden Kinder zum Spiel des Lebens – aber sie warnt sie auch davor: Wenn Du drin bist, bleibst Du drin! Emanuela sagt dreimal laut «Ich wott!», und das Spektakel beginnt, in dem Emanuela fortan die Hauptrolle übernimmt. Bald lässt sie sich zur Königin krönen – Lebensgier hat sich in Machtgier verwandelt. In ihrer Blindheit stösst sie ihre grosse Liebe Pablo in den Tod. Als sie ihre Tat begreift, ist es zu spät – der Tod führt Pablo ab. «Nöd alli spieled bis zum Änd.» Als Emanuelas Macht zerfallen ist, wird sie zur Rebellin und zur Anführerin der Armen, die sie gegen den «Meister» aufhetzt. Am Ende stürmt und plündert der «blinde Pöbel» das Kloster und trägt das Gold hinaus – wieder zu Füssen der Anführerin. Als Emanuela schliesslich zur weisen Greisin wird, begreift sie die wahre Schönheit der Dinge und ihre Fehler, aber auch, dass bereits ihr letztes Stündlein geschlagen hat und sich die Welt auch ohne sie weiter drehen wird.

 

Spannende Geschichte in eindrücklichen Bildern

Diese spannende Geschichte wird in eindrücklichen Bildern erzählt. Livio Andreina inszeniert das Welttheater mit wohldosiertem Einsatz technischer Mittel. Meisterhaft nutzt er den Klosterplatz als mehrschichtige Bühne und lässt Szenerien paralell zueinander ablaufen. Bisweilen erscheinen die Arkaden wie Wellenbrecher, die vom Farbenmeer des Spielvolks umtobt werden. Besonders eindrücklich ist etwa die Szene, die den Kampf der Bauern gegen Seuchen und Ungeheuer zeigen oder der Tod Pablos, der durch ein gespenstisches Nebelmeer ins Jenseits schreitet. Die Nebelmaschinen erweisen sich auf den Stufen der Klostertreppe als besonders wirkungsvoll. Eine weitere Szene, die im Bildgedächtnis bleibt, ist der Aufmarsch während Emanuelas totalitärer Regentschaft: Während oben die Fahnenträger die Königin auf ihrem Hebebühnen- Thron bekränzen, hält unten die Polizei das Volk in Schach. Zwar sind auf den roten Bannern weder Hakenkreuz noch Hammer und Sichel zu erkennen, aber die Warnung ist verständlich und der Bezug zu den roten Gummiknüppeln der prügelnden Polizisten auch. Dazu gehört auch ein agiles Orchester mit Chor, die sich mal in den Arkaden platzieren, mal über die Bühne marschieren und mit viel Hingabe die grossartige Musik des kürzlich verstorbenen Komponisten Bruno Amstad interpretieren.

 

Poetische Auflösung: Der Mond ist aufgegangen

Die Auflösung am Ende ist geradezu poetisch: Plötzlich schauen alle staunend zu der leuchtend weissen Kugel, die über der ganzen Szenerie schwebt. Der Mond ist aufgegangen – der unerreichbare Antipol zur Erde, der ohne Sünde ist, aber eben auch ohne menschliches Leben. Und genau das ist eine der Grundaussagen dieser Welttheater- Ausgabe: Es gibt kein Leben ohne Fehler und Versagen. Auch die Kirche ist Teil dieser sündhaften Welt. Das wird mit einem «spitzen» Hinweis auf die Missbrauchsfälle in der Kirche angedeutet. Ein «Pfaffe», dem zwei Kinder zum käuflichen Sex angeboten werden, weist diese mit dem Hinweis zurück, das könne er auch «gratis» haben. Der kritische Fingerzeig ist also vorhanden, aber ohne dass sich der Autor zum Moralapostel befördert.

 

Authentisches Volkstheater mit viel Herzblut gespielt

Geboten wird authentisches und lebendiges «Volkstheater», dessen Handlung lesbar ist, und auf hohem Niveau und mit viel Herzblut umgesetzt wird, wobei man die Ur-Geschichte des Welttheaters nicht aus den Augen verliert. Die stehende Ovation des Premiere-Publikums vor den in Kälte und Regen stehenden Theater-Heldinnen und -Helden zeugte von echter Begeisterung. Schön zu beobachten war danach die «Vereinigung» des Publikums mit der Theatertruppe auf dem Klosterplatz. Die Welt ist ein Dorf.

 

Einsiedler Anzeiger / Eugen von Arb

Autor

Einsiedler Anzeiger

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  • Bühne
  • Literatur
  • Musik

Publiziert am

17.06.2024

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