Für Kantonalpräsidentin Hildegard Berli-Kälin ist es «eine grosse Freude», dass der Schwyzer Kantonal- Chorverband mit «Singe isch gsund» ein eigenes Lied anstimmen kann. Foto: René Steiner
Für Kantonalpräsidentin Hildegard Berli-Kälin ist es «eine grosse Freude», dass der Schwyzer Kantonal- Chorverband mit «Singe isch gsund» ein eigenes Lied anstimmen kann. Foto: René Steiner
Der kleine und der grosse Verband, beide mit rot-weissen Fahnen – Grund genug, extra einen Fototermin mit Kantonalpräsidentin Hildegard Berli-Kälin zu halten. Foto: zvg
Der kleine und der grosse Verband, beide mit rot-weissen Fahnen – Grund genug, extra einen Fototermin mit Kantonalpräsidentin Hildegard Berli-Kälin zu halten. Foto: zvg

Musik

«Freude haben und Freude geben»

Hildegard Berli über die ersten 100 Tage im Amt als Präsidentin des Kantonalen Chorverbandes. Als Pflegefachfrau weiss sie: Ein Verband verbindet. Aber nicht nur ein Wundverband, auch der kantonale Chorverband verbindet. Als erste Kantonalpräsidentin seit hundert Tagen im Amt – ein guter Grund, mit ihr über diese Zeit zu sprechen, Persönliches zu fragen und den Puls beim Chorverband zu fühlen.

René Steiner: Seit dem 12. März liest man «Schwyzer Kantonal-Chorverband Kantonalpräsidentin Hildegard Berli-Kälin» – eine eher ungewöhnliche Adresse, prägten doch bis anhin ausschliesslich Männer den Chorverband. Ist diese Wahl ein Politikum gewesen?


Überhaupt nicht! Es ist um die Neubesetzung des Präsidentenamts gegangen. Und dass mit mir eine Frau gewählt worden ist, ist einfach Zufall. Neun Jahre war ich Vizepräsidentin und habe mich vom ganzen Vorstand getragen und voll und ganz unterstützt gefühlt. Es ging nicht um «frau».

Und doch – ein schöner Zufall, nicht?


Ja, finde ich auch (schmunzelt). Schliesslich feiern wir 2022 im Kanton Schwyz 50 Jahre Frauenstimmrecht. Es ist halt schon so, dass wir Frauen uns solche Aufgaben eher nicht zutrauen. Ich habe im Vorfeld aber sehr viel Vertrauen in meine Person gespürt. Das hat mir Mut gegeben: Das kann ich auch. Ich freue mich, wenn sich andere Frauen durch mein Tun inspirieren lassen und auch Ungewohntes wagen.

Nun sind die berühmten «hundert Tage» erreicht. Wie hast Du diese Zeit erlebt?


Intensiv! Mit vielen Anlässen, vor allem – für mich wichtig – diverse GV-Besuche bei der Basis mit Kontaktpflege. Weiter habe ich an Treffen des SCV teilgenommen. Betreff eines allfälligen «Fest der Musik 2025» in Einsiedeln gibt es etliche Vorabklärungen. Und an der ersten Vorstandssitzung unter meiner Leitung haben wir bereits eine junge Frau als neues Vorstandsmitglied und Vertretung für die singende Jugend begrüssen dürfen!

Und …? (Schreiber braucht gar nicht zu fragen …)


… natürlich das Schweizerische Gesangsfestival in Gossau Ende Mai, das war ein perfekt organisierter Anlass! Gossau war für mich zweifach speziell: Für uns vom Frauenchor war es der erste gemeinsame Anlass nach Corona. Eine einzige Freude, musikalisch wie zwischenmenschlich! Zudem durfte ich an der Eröffnungsfeier als Ehrengast beiwohnen, das war nur eins: eindrücklich.

Was bedeutet Dir Singen?


Singen ist für mich ein ganzheitliches Hobby, das Körper, Geist und Seele fordert und fördert. Es hilft mir abschalten, ich kann auftanken.

Singst Du zu Hause, in der Freizeit?


Natürlich! Überall, auch unter der Dusche. Wenn im Radio etwas läuft, das ich kenne, singe ich mit. Ich singe eigentlich dauernd.

Das am 12. März aufgeführte Verbandslied ist ein grosses Anliegen von Dir. Warum?


Ich habe mir schon immer ein Lied gewünscht, das den Geist unseres Verbands darstellt und bewusst einfach gehalten ist. Sodass alle miteinander sin-gen können – ohne grossen Aufwand. Als Vizepräsidentin ergriff ich die Initiative und habe mit «Singe isch gsund» einen Textvorschlag gemacht. In Zusammenarbeit mit Bruno Jakob und Stephan Meyer, der die schmissige Melodie komponiert hat, ist das Verbandslied entstanden. Eine grosse Freude.

Wie ist das Chorwesen im Kanton Schwyz und in der Schweiz organisiert?


Im Schwyzer Kantonal-Chorverband (SKCV) sind 19 Chöre mit etwa 650 Erwachsenen plus 60 Kinder und Jugendliche vereint. Der SKCV ist als Kantonalverband der Schweizerischen Chorvereinigung (SCV) angeschlossen, die aktuell 1480 Chöre aller Gattungen mit rund 42’000 Sängerinnen und Sänger umfasst.

Gesamtschweizerisch gesehen wird der SKCV wohl eher ein kleiner Kantonalverband sein. Klein aber fein?


Genau. Soweit ich weiss, ist nur der Glarner Verband kleiner. Der Vorteil vom Klein sein: Ich kenne jeden Chor mit Vereins- und Chorleitung sowie viele Vereinsmitglieder noch persönlich. Welche Musiksparten vertritt der SKCV? Wir sind offen für jeden Chor, jeden Verein, der Gesang pflegt und Kultur bietet, egal welche Richtung. Gesang ist so vielfältig. Aktuell vereinen wir Kinder- und Jugendchöre, Frauenchöre, Männerchöre, gemischte Chöre, ein Vokalensemble und einen Popchor.

Wie sieht es mit der Entwicklung des Mitgliederbestands aus?


Schweizweit beklagen sich Verbände über Mitgliederschwund. Wir sind in den letzten Jahren gewachsen. Nicht enorm, aber stetig. So wage ich zu sagen, Tendenz im Kanton Schwyz steigend (strahlt).

Reizwort Projekt – wie siehst Du das Wirken von Projektchören?


Ich finde es grundsätzlich wunderbar, wenn Menschen miteinander singen, in welcher Art und Formation auch immer, einem Verband angeschlossen oder nicht. Singen tut der Menschheit gut. Projektchöre spiegeln einfach den Zeitgeist mit befristetem Engagement, Unverbindlichkeit und Konsumdenken. Ich sehe diese Entwicklung aber nicht als Gefahr, eher als Chance.

Einerseits jubelt Dein Herz beim Wort Projekt, anderseits schwingt da auch ein kritischer Unterton mit.


Fakt ist: Projekte entstehen nicht einfach so aus Unverbindlichkeit. Projekte brauchen als Basis einen Verein oder zumindest eine Kerngruppe, die den Karren zieht. Etliche Verbindlichkeiten teilt man sich im Verein, indem sich alle einsetzen, dass «nach dem Projekt» immer wieder «vor dem Projekt» heissen kann.

Projekt konkret – das nächste Projekt, ein Adventskonzert, steht an, das der Frauenchor Einsiedeln mit dem «männerxang küssnacht» im November halten will. Wie siehst Du das?


Gemeinschaftsprojekte von Chören innerhalb des Verbandes sorgen immer wieder auch für erfolgreiche Mitgliederwerbung. Die Chöre laden interessierte Projektsängerinnen und -sänger ein, Teil dieses überregionalen Musikprojektes sein zu dürfen. Eigenes positives Erleben ist schliesslich die beste Werbung und vielleicht ausschlaggebend für künftig regelmässiges Singen im Verein. Und wenn neue Mitglieder auf diese Art dazukommen – wunderbar!

Was macht für Dich ein erfolgreicher Chor aus?


Erfolgreiche Vereine passen ihre Gesangsliteratur und ihr Auftreten etwas der Zeit und dem Publikum an. Wenn ich auf den Frauenchor Einsiedeln verweise, darf es nebst Gesangsqualität durchaus etwas Show und moderne Literatur sein. Sicher haben wir so auch jüngere Frauen gewonnen.

Welche Herausforderungen und Sorgen beschäftigen den SKCV?


Ich möchte nicht von Sorgen re-den. Herausforderungen ja. Corona hat Narben hinterlassen. Ich wünsche den Chören, dass sie zuversichtlich und mit Freude wieder nächste Gesangsprojekte angehen. Auch mit reduzierten Mitgliederzahlen.

In Deinen Aussagen schimmern immer wieder das Wort Freude und ähnliche Begriffe durch. Ist Freude haben und ausstrahlen im Chorwesen essenziell?


Unbedingt! Wir haben heutzutage die Möglichkeit, Musik in höchster digitaler Qualität zu Hause geniessen zu können. Somit gibt es keinen Grund mehr, aus dem Hause gehen zu müssen. Also muss ein Auftritt auf der Bühne ein emotionales und die Sinne ansprechendes Erlebnis bieten. Und das gelingt nur mit Freude am eigenen Tun, was wiederum beim Publikum Freude auslöst. Das passt zu meinem Lebensmotto: Freude haben und Freude geben.

Und die obligate EA-Schlussfrage: Was ich sonst noch sagen wollte?


«Singe isch gsund!» – und unser Verband heisst weitere Chöre herzlich willkommen. 

Einsiedler Anzeiger / René Steiner


Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Musik

Publiziert am

24.06.2022

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