Bühne

«Jawohl, zu Befehl, Frau Hauptfrau!»

22 Soldatinnen und 2 Soldaten hocken im Schützengraben. Sie träumen vom Frieden. Wenn die Sirene schrillt, stürzen sie sich in den Kampf. Verletzt kehren sie zurück und zählen die Toten. Das selbstgeschriebene Stück des Stifttheaters «Warten» thematisiert den Krieg und das Wechselbad zwischen Hoffnung und Ohnmacht.

Es ist eng im Schützengraben, die Stimmung aufgeladen. Dicht beieinander die Soldatinnen. Sie leiden unter dem Kriegskoller. Ihr Dasein besteht aus Warten, Zeitvertreib und plötzlichem Kampfeinsatz. Sie kochen, musizieren, betreuen die Verletzten. Die Nahrungsmittelvorräte gehen zur Neige. «Kann man Erde essen?» Der Wunsch nach Spaghetti mit Tomatensauce und Ghackets wird laut. Jemand ruft: «En Wurscht-Chäs-Salat.» Dann wird Marie-Antoinette, die Ehefrau von Ludwig XVI, zitiert: «Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen!»

 

Das Dilemma von Krieg und Frieden

Das Stiftstheater feierte am Freitagabend Premiere. «Warten» ist eine Theatererlebnis mit Tiefgang. Das Publikum kann sich nicht wehren. Es wird in den Schützengraben hineingezogen und erlebt das Dilemma von Krieg und Frieden. Das Stück, aus der Feder der Gymnastinnen, zeigt ihre Auseinandersetzung mit dem top aktuellen Weltgeschehen. Sie untermauern ihre Aufführung philosophisch und scheuen sich nicht, die Sinnlosigkeit der Kriegsführung detailgetreu aufzuzeigen. Es tut weh. Beim Wort Frieden reagieren sie hysterisch. Sie wiederholen es im Chor, dann verebbt es wieder. Eine Soldatin irrt suchend umher und fragt: «Wo ist mein Kompass?» Sie wolle den Weg aus dem Schlamassel finden. Desillusioniert antwortet jemand: «Dieser Krieg wird eine ewige Ewigkeit dauern!» Stille. Eine Stimme sagt: «Stell dir vor, es ist Krieg und niemand geht hin? Berthold Brecht.» Es ist brillant, wie sich die Schauspielerinnen der Ernsthaftigkeit der Geschichte unterwerfen. Haltung, Sprache, Mimik und Gesten sind konsequent auf die Thematik abgestimmt. Auf Kommando stehen sie stramm, Gewehr bei Fuss und brüllen: «Jawohl, Frau Hauptfrau! » Ein Schauer ging durchs Publikum. Einstimmig wiederholen sie die Befehle, bis sie in einem Schafsgemecker enden. «Ihr seid doch Individuen!» versucht eine Soldatin kritisch einzuwirken und spricht von Verblödung. Schon schrillt wieder die Sirene und mahnt zum Dienst nach Vorschrift.

Rekrut R. ist schon tot

Im Schützengraben brodelt es, Streit entsteht. Die Lust auf Einsamkeit macht sich breit. Eine Tänzerin will raus, an der frischen Luft für die Bewerbung an der Tanzakademie üben. Hartnäckig verströmt sie Hoffnung, glaubt fest an ein «Danach». Draussen steht sie plötzlich mit einem Fuss auf einer Miene. Sie wird von einer Soldatin gestützt, die dazu seelenruhig häkelt. Sarkasmus pur. Ein Kamerad zimmert der Tänzerin einen Stuhl, damit sie länger ausharren kann und nicht sofort alle mit in den Tod reisst. Er ruft nach Rekrut R. Der sollte ihm helfen. Aber der ist schon tot. Immer wieder fragen sie sich gegenseitig: «Ist die Post schon da, keine Post?» Dazwischen ruft jemand: «Mir egal!» Das Bewusstsein, im Kampfgebiet von der Aussenwelt abgeschrieben und vergessen zu krepieren, schmerzt. Die Soldatinnen sind am Durchdrehen. Sie reimen: «Warten, einfach im Garten auf Maikäfer warten.» Und jemand ruft sehnsüchtig: «Internet!»

 

Schauspielkunst vom Feinsten

Das Stiftstheater schafft es, mit inhaltlichen Nadelstichen und grossartiger Schauspiel§kunst die Grausamkeiten des Krieges zu widerspiegeln. Die Texterinnen und Darstellerinnen sorgen unter der Regie von Livia Stampfli-Huber für einen ergreifenden und nachhaltigen Theaterbesuch.

 

Einsiedler Anzeiger / Anita Chiani

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

25.03.2025

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