Literatur
«Leute können es nicht verstehen, dass man als Verlag kaum überleben kann»
Rachele De Caro nimmt mit ihrem Verlag Édition De Caro an der Mini-Buchmesse von heute Samstag in Einsiedeln teil.
Silvia Camenzind: Heute Samstag findet in Einsiedeln eine Mini-Buchmesse von Schwyzer Verlagen statt. Wie sind Sie da involviert?
Rachele De Caro: Wir von Édition De Caro präsentieren mit weiteren 13 Verlagen unsere Bücher. Vor geraumer Zeit dachte ich, ein Tag, an dem sich die Schwyzer Verlage austauschen und präsentieren könnten, wäre etwas, und fragte unverbindlich andere Verlage an, habe die Idee aber nicht weiterverfolgt. Auch SchwyzKulturPlus hatte eine Buchmesse auf dem Radar. Mit Livia Stampfli-Huber, sie ist bei SchwyzKulturPlus für die Literatur zuständig, habe ich mich zu diesem Thema ausgetauscht. Auch die Kulturkommission des Kantons Schwyz fand die Idee spannend. Ich denke, die Zeit war einfach reif für eine Buchmesse im Kanton Schwyz. Schliesslich lancierte SchwyzKulturPlus eine Umfrage bei den Schwyzer Verlagen, und so wurde das Datum festgelegt.
Der Kanton Schwyz ist reich an Verlagen. Haben Sie eine Vermutung, weshalb das so ist?
Das ist womöglich historisch bedingt. Vor allem Einsiedeln war mit dem Benziger Verlag und den verschiedenen Druckereien gross. Und auch Daniel Keel und Rudolf C. Bettschart, die den Diogenes Verlag gegründet haben, kommen aus Einsiedeln. Für uns als junger Verlag ist es schön, diese Tradi- tion in Einsiedeln fortführen zu dürfen.
Wie kam es zur Édition De Caro, dem Verlag, den Sie mit Ihrem Bruder Paolo De Caro führen?
Es begann mit dem Buch «Junge Ma cherinnen». Ich führte die Interviews mit jungen, engagierten Frauen, die etwas anpacken, und fragte meinen Bruder, ob er sie fotografieren und die Gestaltung des Buches übernehmen würde. Er ist Grafiker und Fotograf. Ge meinsam machten wir uns auf die Suche nach einem Verlag. Wir fragten Sachbuchverlage an. Sie zeigten sich durchaus interessiert. Wir realisierten jedoch, dass wir für unsere Arbeit fast nichts erhalten, sondern teilweise noch etwas dazugeben müssten. Wir fühlten uns nicht wohl dabei, und uns wurde klar, wie schwierig dieses Geschäft ist. So entschieden wir: Wir machen das selber. Ich informierte mich in der Sachbuchbranche, telefonierte viel, und so gründeten wir Édition De Caro. Das war noch vor der Pandemie. Unser erstes Buch «Junge Macherinnen» kam sehr gut an. Nach dieser positiven Erfahrung entschieden wir uns weiterzumachen.
In Ihrem Verlag erscheinen Sachbücher, die jedoch anders sind. Was sind Ihre Themen, und gibt es einen roten Faden?
Wir wollen Menschen aus verschiedenen Perspektiven zeigen, auch aus unerwarteten Perspektiven, und wir wollen nah bei den Leuten sein. Nehmen wir als Beispiel unser Hafechabis-Buch «Hafächabis, Chabis und Schaffleisch, Chabishafä». Es ist nicht nur ein Kochbuch, es ist auch ein Porträtband. Das Buch «Zweiheimisch» bringt persönliche Geschichten aus dem Einwanderungsland Schweiz nahe.
Ist es auch ein bisschen Ihre Geschichte?
Es ist tatsächlich auch unsere Geschichte. Auch wenn in diesem Fall die Journalistin Rahel Lüönd mit dem Konzept auf uns zukam. Das war kurz nach unserem ersten Buch, bei dem sie mir beim Redigieren half. Wir fanden, das Konzept passt zum ersten Buch. Während der Arbeit am Buch realisierten wir, wie sehr es auch mit unserem Leben zu tun hat. Denn ja, Paolo und ich sind auch zweiheimisch. Wir sind in Rom geboren. Kurz darauf, nach dem Tod unseres Vaters, entschied sich unsere Mutter, mit uns wieder in ihren Heimatort Einsiedeln zurückzukehren. Italien ist unsere zweite Heimat. Wir haben diese beiden Heimaten in unseren Herzen, deshalb war es auch ein sehr schönes Buch für uns. Das etwas andere Kochbuch über Hafechabis hat Ihrem Verlag viel Aufmerksamkeit beschert.
Haben Sie das erwartet?
Nein, dass es auf eine derart grosse Resonanz stösst, habe ich nicht erwartet. Vor dem Kochbuch erschien «Dazwischen», ein Buch, das sich mit Zwi- schentönen während der Pandemie befasste. Dieses gesellschaftspolitische Buch haben wir während der Corona-Zeit realisiert. Es war anstrengend, emotional und brauchte Mut. Danach war es Zeit für etwas Unpolitisches, da kam der Hafechabis genau zur richtigen Zeit. Zudem wollten wir schon lange ein regionales Buch realisieren. Mein Bruder arbeitete mit zwei Kollegen, mit Heinz Nauer und Marc Ochsner, lose schon seit sieben Jahren an einem Buch über Hafechabis, und nun wollten sie es gemeinsam mit uns realisieren. Es war so schön, dass es so einschlug, weil es sich mit etwas so Einfachem direkt vor der Haustür beschäftigt. Da schaut man im Ausland und überall nach spe ziellen Rezepten und findet lokal ein kulinarisches Kulturgut, das noch dazu alle für selbstverständlich halten und ausserhalb der Urschweiz niemand kennt.
Das Hafechabis-Buch hat mit dem Zusammensein am Küchentisch viel Atmosphäre transportiert und auch das Gefühl, dass Altherge brachtes auch heute Bedeutung hat. Wie wichtig sind Ihnen Gefühl und Atmosphäre?
Sehr wichtig. Schon bei «Junge Mache rinnen» wollten wir ein Gefühl übermitteln, nicht nur Inhalt. Für uns ist ein Buch etwas Haptisches, man kann eintauchen. Es hat viel mit Gefühl und Atmosphäre zu tun. Gerade im Hafechabis-Buch sind es die Fotografien, die Gestaltung und das Material, die es ausmachen.
Wie finden Sie die Themen für Ihre Bücher?
Sie kommen fliessend. Ich erlebe es als etwas Organisches. Inspiration finden wir in unserem Umfeld, in allem, was uns umgibt. Als Nächstes kommt ein Kinderbuch über die beiden Mythen und ihre zwei Seiten. Wir sehen die Berge von Einsiedeln aus anders als von Schwyz aus. Manchmal kommt der Input für ein Buch von aussen, manchmal von uns.
Wie finden Sie die Menschen, die porträtiert werden oder von ihrem Leben erzählen?
Natürlich kommt es ganz auf das Thema an. In «Zweiheimisch» war es schwieriger, weil es sehr persönlich war. Gut, hatten wir das Buch «Junge Macherinnen» zuvor schon realisiert. So konnten wir aufzeigen, dass es ein positives Buch wird. Es braucht viel Sensibilität, die Geschichte von jemandem zu erzählen.
Haben Sie Angst, dass Ihnen die Ideen für Bücher ausgehen könnten?
Nein, ich habe noch so viele Ideen. Die Herausforderung ist, die Projekte auch finanzieren zu können. Als meine Kinder kleiner waren – inzwischen ist das jüngste im Kindergarten –, war auch die Zeit ein Faktor.
Wie ist es, wenn Sie ein Buch druckfrisch erstmals in der Hand halten?
Einerseits ist es schön, und ich freue mich, weil auch das Buch so schön geworden ist. Anderseits sehe ich vor lauter Wald die Bäume nicht mehr, denn die Feinarbeit in der Schlussphase vor dem Druck ist sehr intensiv. Dann muss ich es erst einmal weglegen.
Sie sprechen es an: Ihre Bücher sind schön. Wie wichtig ist das Erscheinungsbild?
Inhalt und Gestaltung gehen Hand in Hand und sind für uns gleichwertig. Ich sehe das als Stärke, denn die Menschen nehmen sich Zeit für ein Buch.
Wie wichtig ist die Unterstützung von Stiftungen für Ihren Verlag? Auch die Kulturkommission Schwyz hat Sie unterstützt.
Es gibt Leute, die können es nicht ver stehen, dass man kaum überleben kann als Verlag, weil wir ja ein Produkt ha- ben, das man verkaufen kann. Aber in einem Buch steckt enorm viel Arbeit. Gerade das Hafechabis-Buch wäre nie zustande gekommen, wenn wir nicht von vielen Seiten unterstützt worden wären. Das neuste Buch «Alle Weisheit dieser Welt» ist ein Buch, das auch in Deutschland und Österreich verkauft werden kann, da ist der Markt grösser. Die Buchbranche ist zudem kurzfristig ausgelegt, alle halben Jahre kommen die Neuerscheinungen.
Haben Sie neben dem Verlag noch ein anderes Standbein?
Mein Bruder ist Mitinhaber von Nomady, Fotograf und als Gestalter tätig. Ich schreibe als freischaffende Autorin zu diversen Themen.
Was lesen Sie privat?
Es gibt ja verschiedene Motivationen zu lesen. Ich lese, um das Geschehen auf der Welt besser zu verstehen, andere lesen zum Abschalten, wieder andere, um sich inspirieren zu lassen. Derzeit ist es deshalb vorwiegend Sachliteratur, ich schätze das Reale, mag im Moment aber auch Gedichte. Durch unsere Bücher komme ich auch auf neue Themen. Gerade «Alle Weisheit dieser Welt», in dem die Autorinnen und Autoren sich von Schriftstellerinnen und Schriftstellern aus früheren Zeiten inspirieren lassen, um Fragen von heute zu beantworten, bietet mir Inspiration.
An der Buchmesse findet man viele Verlage an einem Ort. Wie wichtig ist Ihnen der Austausch mit anderen Verlagen?
Bisher hatten wir kaum Kontakt. Ich freue mich, die anderen Verlegerinnen und Verleger kennenzulernen. Zudem freue ich mich aufs Publikum, auf die Lesungen und natürlich auf die Bücher.
Bote der Urschweiz / Silvia Camenzind
Autor
Bote der Urschweiz
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- Literatur
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