Werner Oechslin
Werner Oechslin

Dies & Das

«Man kümmert sich nicht darum, was Schwyz und Einsiedeln verlieren werden»

Stiftungsratspräsident Werner Oechslin äussert sich zum drohenden Ende der Bibliothek Werner Oechslin in Einsiedeln: «Ich würde von einer Erdrosselung einer Idee im Kanton Schwyz sprechen.»

Magnus Leibundgut: Wie ist die Geschichte der Bibliothek Werner Oechslin in Einsiedeln verlaufen?

Werner Oechslin: Diese Saga mit vorerst tragischem Ausgang ist immerhin knapp dreissig Jahre alt und kann nur sehr verkürzt wiedergegeben werden. Im Jahr 1997 haben die Einsiedler Stimmbürger einem Beitrag an den Bibliotheksbau von 350’000 Franken zugestimmt. Einsprachen bis Bundesgericht verzögerten dann den Baubeginn mit der Folge, dass in Aussicht gestellte mäzenatische Unterstützung abbrach und neue Schwierigkeiten auftauchten. Endlich konnte dann im Jahr 2006 der Botta-Bau durch Bundesrat Couchepin eingeweiht werden.

 

War damit alles im Butter?

Damit, so glaubten viele, sei die Bibliothek nun für die Zukunft gesichert. Doch, am Tage vor der Einweihung trat ein junger Journalist auf und konfrontierte die Stiftung – mit Berufung auf eine besonders gut informierte Quelle – mit der Aussage, die Vollendung des Bauwerks sei auf illegale Weise finanziert worden. Damit wollte er, so dachte er, einen Skandal ans öffentliche Licht zerren. Doch die ETH stellte umgehend den Sachverhalt richtig: Sie hatte der Stiftung ein Darlehen von zwei Millionen Franken zur Verfügung gestellt, um den Bau – übrigens unter Leitung des an der ETH Baupraxis und Bauausführung unterrichtenden Professors, der auch Mitglied des Stiftungsrats war – zu Ende zu führen.

 

Was steckte hinter dem angeblichen Skandal?

Der unschwer identifizierbare Informant wollte sein Zerstörungswerk weiterhin verfolgen und liess dies auch deutlich erkennen. Der «Bote der Urschweiz», der für die Veröffentlichung des Skandals bereitstand, hat dann mit anderer Akzentsetzung in einem Bericht ersatzweise die misslichen Charaktereigenschaften des Stifters hervorgekehrt. Der Stempel war aufgedrückt: Es liess sich nun alles auf den Stifter als Ursache allen Übels beziehen – Stiftung und Stifter wurden vermengt.

 

Wie interpretieren Sie die aktuelle Berichterstattung in den Medien über die Bibliothek?

Der «Bote» blieb seiner «kritischen» Einstellung gegenüber dem Bibliotheksprojekt treu, was sich nun in diesem Jahr im Vorfeld der Abstimmung im Schwyzer Kantonsrat ganz besonders deutlich manifestierte. Nach den ablehnenden Beschlüssen zweier Einsiedler Parteien zuhanden der Budgetversammlung titelte der «Bote» nun zuletzt: «Jetzt soll auch der Bezirk Einsiedeln der Oechslin-Bibliothek den Stecker ziehen.»

 

Wie lauteten die Vorwürfe?

Der Kronzeuge war diesmal ein Einsiedler Parteipräsident, der zwar nie ein Wort mit dem Stifter gewechselt hatte, dessen «Auftreten» er nun aber als «schwierig» darstellte, um dann – vom «Boten» bereitwillig publiziert – eine Reihe völlig unbegründeter, verleumderischer Unterstellungen folgen zu lassen: Fehlende Transparenz, die Bibliothek bringe zu wenig, das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimme nicht, und die Stiftung hätte die Hausaufgaben nicht gemacht. Das war dann schon eher «üble Nachrede» und zumindest ein sehr unkritisches Vorgehen des «kritischen Boten». Journalistische – und auch politische – Arbeit würde doch eine Abklärung des Sachverhalts verlangen!


Was werfen Sie der Zeitung konkret vor?

Der «Bote» lässt die Vorwürfe des Einsiedler Politikers lieber stehen und bastelt an dieser Gefühlslage weiter: Er hat es erneut unterlassen, die Diskussion auf die Inhalte zu lenken und falsche Anschuldigungen zu entkräften. Auf die Zwecksetzung der Stiftung vordringlich geforderter wissenschaftlicher Arbeit verwies die Zeitung nie, obwohl es dazu genügend Gelegenheit gegeben hätte, da wo die Stiftung mit Publikationen, Ausstellungen und Anlässen die Öffentlichkeit gesucht hatte. Nein, die Parole «Was bringt’s» war da viel wirksamer. Auf diese Weise liess man ein Projekt «von nationaler Bedeutung» – gemäss der Einschätzung des Schweizerischen Wissenschaftsrates – scheitern: Man brachte eine Person in Misskredit und schadete einer international anerkannten Sache, die der Politiker und der Journalist vom «Boten» gar nicht kannten oder nicht kennen wollten.

 

Sie haben gleichsam ausgeteilt und von «mangelnder Kompetenz » der Kantonsräte gesprochen.

Der «Bote» zitiert eine Politikerin, die ob solcher Feststellung gleich von Beleidigung und Erpressung spricht und ihren Einwand zusätzlich untermauert, indem sie die Zahl des Gesamtaufwands und nicht den für den Kanton anfallenden finanziellen Betrag benennt. Doch Kompetenz müsste doch den Journalisten und den Politiker leiten, zumal es um eine folgenreiche Beschlussfassung ging: Stattdessen spielt man auf die Person und kümmert sich kaum darum, was der Kanton Schwyz und Einsiedeln verlieren würden. «Den Stecker ziehen», «was bringt’s» und dergleichen: Das ist es wohl, was gemäss dieser Politik und diesem Journalismus der Bürger am besten verstehen würde, ohne ihn korrekt zu informieren. Nein, die Kritik an mangelnder Kompetenz ist berechtigt. Sich mit dem Sachverhalt auseinandersetzen, statt der Stimmung zu folgen oder sie gar aufzuheizen, hätte zu einer anderen Lösung führen können. Sachkompetenz wäre sehr wohl gefragt gewesen.

 

Wie entsteht denn Kompetenz?

Kompetent ist man nicht durch sein Amt oder kraft seines Berufes – es ist umgekehrt: Durch ein Amt und durch seinen Beruf ist man verpflichtet, sich so gut wie möglich kompetent zu machen, um Sachverhalte möglichst gut und richtig einschätzen zu können und einer Urteilsfindung zuführen zu können. Man kann nicht behaupten, der «Bote» hätte sich kompetent gemacht, um den Sachverhalt angemessen darzustellen: Er liess stattdessen einen Einsiedler Parteipräsidenten sein Urteil äussern, was hier nun berichtigt werden muss.

 

Wie äussern Sie sich konkret zu den Vorwürfen, es würde an Transparenz und Sicherheit fehlen?

Das von der Stiftung in Bern eingereichte Gesuch enthielt alle Daten, die geplanten Stellen, die Projekte und auch den Finanzplan – es lag in Schwyz den Kantonsräten offen zugänglich vor. Die Stiftung ist seit Anbeginn der Kontrolle der eidgenössischen Stiftungsaufsicht und der Finanzkontrolle gemäss KPMG und deren Nachfolge KMU Treuhand & Revision AG unterstellt. Sie liefert jährlich den Jahresbericht ab und zusätzlich berichtet auch das Bulletin SCHOLION regelmässig über ihre Tätigkeiten. Mit der Sicherheit verhält es sich umgekehrt: Die Stiftung befindet sich seit 25 Jahren in einem Provisorium und sucht sehr wohl dringend nach Sicherheit.

 

Die Interimsvereinbarung mit der ETH und dem Kanton Schwyz läuft heute am 31. Dezember aus. Welches Ziel verfolgte diese Vereinbarung?

Die Zielsetzung der Vereinbarung war die Schaffung einer nachhaltigen und finanziell abgesicherten Lösung für die Bibliothek. Das ist nun, ausgelöst durch den Negativentscheid des Schwyzer Kantonsrats, gescheitert: Hätten acht Kantonsrätinnen oder Kantonsräte Ja statt Nein gestimmt, wäre die Stiftung ganz nahe an ihr Ziel gelangt. Faktum ist: Die Politik gewährt uns die notwendige Sicherheit nicht.

 

Das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimme nicht, wird der Einsiedler Parteipräsident zitiert. Was hat es mit diesem Vorwurf auf sich?

Man muss mit konkreten Zahlen dagegenhalten: Der Bezirk Einsiedeln hat kraft Volksabstimmung im Jahr 1997 just 350’000 Franken an die Baukosten und später einmal 5000 Franken in den Jubiläumsfonds einbezahlt, mit dem Publikationen ermöglicht werden. Umgekehrt ist eine Wertschöpfung in der Höhe von fünf Millionen Franken zugunsten Einsiedelns entstanden, weil die allermeisten Arbeiten durch Einsiedler Handwerker und Firmen geleistet worden sind. Einsiedeln hätte nun für zwei Jahre je 70’000 Franken ausgegeben. Die Stiftung bezahlt jährlich 200 bis 300 Logiernächte, veranstaltet dreissig Führungen, die meistens zu Konsumation führen, was ja auch für die bei der Stiftung arbeitenden Wissenschaftler und viele individuellen Besucher gilt. Zum erbrachten Nutzen gehört in diesem Jahr auch insbesondere die spezifisch auf Einsiedeln ausgerichtete, von einer Publikation begleitete Ausstellung zu Landenberger: Es hat auch zu drei längeren Beiträgen im Einsiedler Anzeiger geführt – wie im EA ja auch ein Beitrag zum Moosbrugger-Jubiläum abgedruckt worden ist.

 

Hat denn die Stiftung die Hausaufgaben nicht gemacht, wie behauptet wird?

Eine boshafte, pauschale Unterstellung! Die Stiftung betreibt eine Forschungsbibliothek, deren Zwecksetzung in erster Linie die wissenschaftliche Arbeit betrifft. Zu den oben bereits aufgelisteten Leistungen und zusätzlich zu den Grundaufgaben der Katalogisierung und Unterstützung der Forschenden und Besucher durch die Bibliothekare kommen insofern für dieses noch laufende Jahr hinzu: Die partnerschaftliche Teilnahme an der Ausstellung zu Fischer von Erlach im Wien Museum in Wien, zu der die Stiftung fünfzig Exponate zur Verfügung gestellt hat; die Publikation des Buches zu Fischer von Erlach «Das grösste Buch – die grösste Geschichte»; die italienische Edition des Buches zu Cesariano durch das Centro Vitruviano in Fano. Nun ist auch das siebzehnte Bulletin SCHOLION, beinahe 400 Seiten dick, erschienen. Und noch in diesem Jahr soll die Edition eines in der Stiftung befindlichen Manuskripts in Paris bei Garnier publiziert werden. Der Verein der Freunde organisierte eine Reise nach Weimar, wo auch der Austausch mit den mit der Einsiedler Stiftung vernetzten Forschungsbibliotheken in Weimar, Gotha und Wolfenbüttel stattfindet. Fakt ist:

 

Das Projekt von nationaler Bedeutung und von internationalem Gewicht und Anerkennung ist gebodigt worden. Wie geht es weiter mit der Bibliothek Werner Oechslin in Einsiedeln im neuen Jahr?

Hier ist ja «nur» der lokale Teil der Erdrosselung angesprochen. Dass die ETH, nachdem sie unser Projekt der ETH-Bibliothek ins Dossier geschrieben hat, nur noch an den Büchern (und deren Besitz) wirklich interessiert ist, dass sie uns in diesem Zusammenhang ständig unter Druck gesetzt hat und nicht von einer Kündigung unseres Vertrages abgesehen hat und dass mein derzeitiger Nachfolger in der Leitung des Instituts gta, das ich neu aufgebaut und zu internationalem Ansehen geführt hatte, auch schriftlich mitteilt, dass er an unseren Tätigkeiten nicht interessiert sei, all dies verweist noch auf ein anderes, noch grösseres Kapitel dieser Saga der Erdrosselung unserer Idee und unseres Projekts. Die Opposition ist auf der ganzen Linie aufgebaut worden, und ich habe die Botschaft verstanden, dass ich hierzulande nichts mehr verloren habe. Die Stiftung hat einen Plan B und wird soweit möglich die Tätigkeit auf kleinerem Feuer weiterführen, sucht neue Mittel und Unterstützer, um doch noch zu überleben. Dabei gilt als Priorität der Zusammenhalt der Bibliothek als ein Ganzes.

 

Einsiedler Anzeiger / Magnus Leibundgut

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Publiziert am

31.12.2024

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www.schwyzkultur.ch/qinBtU