Musik
«Musik ist meine Leidenschaft»
Erwin Füchslin wurde von den Leserinnen und Lesern des Einsiedler Anzeigers zum Smalltalker des Jahres 2020 gewählt.
Der Musiker Erwin Füchslin ist seit 35 Jahren Lehrer an der Musikschule Einsiedeln und leitet seit 1992 die Let's Go Big Band. Unzähligen Kindern und Erwachsenen hat der 53-jährige Grosser das musikalische Handwerk beigebracht.
Magnus Leibundgut: Herzliche Gratulation zur Wahl zum Smalltalker des Jahres 2020. Sind Sie überrascht, dass Sie das Rennen gemacht haben?
Erwin Füchslin: Ja, eigentlich schon. Das habe ich nicht erwartet. Es hat mich sehr gefreut und ich bedanke mich von ganzem Herzen dafür.
Worauf führen Sie Ihre Popularität zurück?
Ich könnte mir vorstellen, dass meine vielseitige Tätigkeit als Musiker, Dirigent und Musiklehrer der Grund dafür ist, dass mich hier in Einsiedeln die Leute kennen. Seit 35 Jahren bin ich jetzt Lehrer an der Musikschule Einsiedeln. Es haben doch schon einige Kinder und auch Erwachsene in all den Jahren meinen Unterricht besucht.
Musik ist Ihr Lebenselixier. War Musiker zu werden bereits Ihr Bubentraum?
Oh ja, das kann man so sagen. Meine Eltern fanden jedoch, dass ich zuerst einen richtigen Beruf erlernen soll, da man von der Musik nicht leben könne. Also habe ich zuerst eine Feinmechanikerlehre gemacht. Das hat damals gut gepasst, weil ich war ein Töfflibub und habe gerne Motoren frisiert (lacht). Mit 16 Jahren gründete ich meine erste eigene Band, das Raben-Quintett Einsiedeln. Das war sozusagen der Startschuss in Richtung Musiker zu werden.
Klänge und Töne berühren die Seele des Menschen. Sind Sie als Musiker auch ein Schamane und Seelsorger?
Musik ist für mich ein Geschenk des Himmels, und sie spricht eine ganz eigene Sprache. Ich spiele des Öftern an Beerdigungen Musik, die sich die Verstorbenen gewünscht haben. In dieser Funktion hat man schon eine sehr spezielle Aufgabe. Es gibt auch viele fröhliche Anlässe mit Konzerten, an denen es mir grosse Freude macht, für das Publikum spielen zu dürfen.
Sie haben Ihre Profession zum Beruf gemacht. Würden Sie die Musik gleichsam als Ihre Berufung bezeichnen?
Ja, das ist so: Musik ist mein Leben und meine Leidenschaft, die ich mit Leib und Seele ausübe. Musik hilft mir auch über schwierige Zeiten hinweg. Sie fordert allerdings auch ihren Tribut: Berufstrompeter zu sein bedeutet tägliches Üben, auch in den Ferien, mit einem stetig unregelmässigen Kalender. Eine Beziehung zu führen ist daher nicht leicht und würde vielleicht am ehesten funktionieren, wenn beide Partner Musiker sind. Was ich nie gebraucht habe, wie so viele andere Musiker, sind Drogen, um im Flow der Musik zu bleiben.
Was zeichnet einen guten Musiklehrer aus?
Es braucht Einfühlungsvermögen und Sensibilität für diesen Beruf: Man sollte seine Schüler, Kinder wie Erwachsene, gerne haben. Es braucht eine Strategie und ein Rezept, um den richtigen Ton im Musikunterricht zu finden: Ein guter Musiklehrer sollte sich auf jeden einzelnen seiner Schüler individuell einstellen und ausrichten können, denn jeder Schüler ist verschieden, und das macht es auch so spannend. Dieses Jahr war für Musiker wie für Lehrer kein einfaches.
Wie fällt Ihr Rückblick auf die Zeit des Lockdowns aus?
Das ist eine leidige Geschichte, ein richtiges Jammertal, eine traurige Zeit. Bis jetzt sind mir wegen Corona ganze 34 Auftritte abgesagt worden. Nur Auftritte in kleinen Besetzungen wie Duo/Trio oder mit dem Lochus Alphorn-Quartett Einsiedeln haben teilweise stattgefunden, aber erst nach dem Lockdown.
Definitiv hat mit dem Coronavirus die Digitalisierung in der Schule Einzug gehalten. Wie schätzen Sie die Digitalisierung in der Musikwelt ein?
Ich bin gar nicht dagegen, dass im Musikunterricht mehr mit digitalisierten Medien und Hilfsmitteln gearbeitet werden soll. Hier gilt es, einen gesunden Umgang mit der Digitalisierung zu finden. Allerdings machte ich auch eine sehr spezielle Erfahrung,als während des Lockdowns auf Fernunterricht umgestellt wurde. Ich unterrichtete mit der Handykamera und erlitt wegen der Strahlung Schwindelattacken und musste mit einer Entzündung meines Gleichgewichtsorgans ins Spital eingeliefert werden. Offensichtlich reagiere ich sehr sensibel auf Handystrahlung. Abgesehen davon war der Fernunterricht mitunter ziemlich mühsam, weil die Internetverbindung in gewissen Vierteln ziemlich schlecht und unbefriedigend war.
Welches Instrument würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
Das Alphorn würde ich wohl zu Hause lassen: Es lässt sich nicht so ideal transportieren auf eine einsame Insel. Ich würde mich wohl für die Trompete entscheiden. Die lässt sich überallhin transportieren, sogar mit dem Velo (lacht). Mein eigentliches Lieblingsinstrument ist das Flügelhorn mit seinem samtig warmen Klang, den ich so liebe.
Braucht es für das Alphornspiel eine speziell grosse Puste?
Nein, eigentlich nicht. Die Schwierigkeit beim Alphorn liegt viel mehr bei der Treffsicherheit der Töne. Die Trompete ist da schon anstrengender zu spielen. Vor allem in der hohen Lage.
Wenn Sie eine Zeitreise unternehmen könnten: In welcher Epoche hätten Sie gerne gelebt?
Am liebsten in den 50er- und 60er-Jahren, weil das die Zeit war, als die Big-Band-Musik sehr gefragt war. Big Bands kamen in den USA bereits in den 20er-Jahren auf und waren stilprägend für die Swing-Ära. Meine musikalischen Vorbilder waren Glenn Miller, Benny Goodman, Count Basie und viele mehr. Ich liebe ihre Musik!
Glauben Sie, dass in der Zukunft Roboter Instrumente spielen und komponieren werden?
Das glaube ich nie und nimmer, denn synthetische Computermusik ist kalt und herzlos. Musik ist etwas sehr Lebendiges, ist Emotion pur. Maschinen und Roboter sind unfähig, Emotionen zu haben, Gefühle zu zeigen. Deswegen werden sie im Bereich der Musik zu keiner Konkurrenz für die Menschen. Sie haben Ihr Leben der Musik gewidmet.
Bleibt in Ihrem Dasein noch Zeit für anderes?
Der Sport ist mir ganz wichtig. Für Biken in der Natur und im Winter für Skifahren und Langlauf nehme ich mir in jeder Woche Zeit dafür. In diesem Sinne ist der Sport mein Ausgleich zur Musik. In der Natur kann ich Kraft und neue Energie tanken. Dort entstehen auch immer wieder neue musikalische Projekte.
Sind Sie ein religiöser Mensch?
Oh ja, das bin ich. Vielleicht nicht unbedingt in dem Rahmen, dass ich jeden Sonntag einen Gottesdienst besuche. Für mich gibt es Gott und er hat mir schon sehr oft geholfen und mir meinen Weg gezeigt. Auch hatte ich schon einige Male einen Schutzengel. Ich war Gott begegnet, danke ihm jeden Tag und weiss seither, dass ich mit ihm verbunden bin.
Dass Engel auf der Harfe spielen im Himmel: Ist all dies nur ein Mythos?
Ich glaube, dass Musik ein Geschenk des Himmels ist für uns Menschen. Dass wir auch Gott in der Musik erfahren können. Ich kann mir gut vorstellen, dass uns auch im Jenseits Musik begleiten wird, wenn wir nach dem Tod unsere letzte Reise antreten.
Träumen Sie des Nachts von Klängen und Tönen, Melodien und Rhythmen?
Ich träume nicht direkt von der Musik, sondern vielmehr von Organisatorischem rund um die Musik herum. Ich muss jeden Tag viel organisieren, was Auftritte, die verschiedenen Proben und den Musikunterricht betrifft. Anscheinend bewältige ich dieses Organisatorische, indem ich des Nachts davon träume. Der Klassiker ist ja, wenn man davon träumt, dass man zu spät an seinen Auftritt kommt (lacht). Das wäre dann eher ein Albtraum.
Gibt es im Klosterdorf Misstöne, die Sie zum Schreien bringen?
Neid und Missgunst beherrschen leider unsere Welt. Es kommt vor, dass ich neidische Bemerkungen erhalte und die Missgunst zu spüren bekomme. Schade finde ich, dass im Klosterdorf zu vielen Projekten Nein gesagt wird, dass die meisten Projekte Schiffbruch erleiden und bachab geschickt werden – meist aus finanziellen Gründen. Ich persönlich wäre bereit etwas mehr Steuern zu zahlen, dafür hätten wir zum Beispiel alle eine Eishalle oder ein Hallenbad.
Weinen Sie bisweilen, wenn Musik Sie zu Tränen rührt?
Oh ja, das kommt vor. Es gibt doch Augenblicke, in denen man in einem Konzertsaal sitzt, und man bekommt wegen der Musik eine Hühnerhaut. Oder man gerät wegen der Musik, die man selber spielt, in einen Flow, in einen entrückten Zustand, in dem man sich etwas unbeschreiblich Schönem nahe fühlt. Oder wenn ich auf einer Beerdigung Musik spiele, welche die anderen zu Tränen rührt. Was dann wiederum bei mir Tränen auslöst.
Wohin bewegt sich die Welt?
Einerseits ist zu beobachten, dass die Menschheit drauf und dran ist, ihre Umwelt zu zerstören. Unübersehbar nimmt das Leid auf dieser Erde zu. Das stimmt einen naturgemäss traurig. Auf der anderen Seite gibt es auch Hoffnung in mir, dass wir Menschen doch gemeinsam fähig wären, eine bessere Welt zu erschaffen.
Einsiedler Anzeiger / Magnus Leibundgut
Autor
Einsiedler Anzeiger
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Kategorie
- Musik
Publiziert am
18.09.2020
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