Für ihre Stimme komponiert: Nadja Räss brillierte als Dorothea. Fotos: Victor Kälin
Für ihre Stimme komponiert: Nadja Räss brillierte als Dorothea. Fotos: Victor Kälin
Eine bis auf den letzten Platz gefüllte Jugendkirche, nicht enden wollender Applaus: Der Sonntag brach-te eine triumphale Rückkehr des Dorothea-Ensembles.
Eine bis auf den letzten Platz gefüllte Jugendkirche, nicht enden wollender Applaus: Der Sonntag brach-te eine triumphale Rückkehr des Dorothea-Ensembles.

Musik

Wenn sich eine Sternstunde wiederholt …

Mit der Kantate «Dorothea» kehrte auch Nadja Räss in ihrer Paraderolle musikalisch nach Einsiedeln zurück. Das Werk hat nichts von seiner Eindrücklichkeit eingebüsst.

Kann man «Dorothea» wiederholen? Jenen Moment im Oktober 2017, als Joël von Moos’ Kantate auch in Einsiedeln uraufgeführt wurde und den Anwesenden einen Moment der Unvergänglichkeit bescherte. Damals, im grossen Barockkloster Einsiedeln (EA 85/17). Vorgestern Sonntag, 6. November, kehrte «Dorothea» in praktisch identischer Besetzung nach Einsiedeln zurück. Allerdings in die Jugendkirche. Es kam zum Wiedersehen mit Nadja Räss, der von Moos die Rolle der Dorothea Wyss, der Frau von Niklaus von Flüe, «auf den Leib» geschrieben hatte – oder vielmehr «auf die Stimme».

Ergriffen zu lauschen


Die eingangs gestellte Frage kann aus ganzem Herzen bejaht werden: «Dorothea» lässt sich wiederholen! Die Komposition berührt heute wie damals, ebenso die Geschichte des Ehepaars Niklaus von Flüe und Dorothea Wyss mit ihrer Entscheidfindung, von ihren Konflikten und Ängsten bis hin zu Dorotheas Einverständnis, Niklaus ziehen zu lassen. Und doch wäre das Werk nicht dieses Werk, wenn es Nadja Räss nicht gäbe. Die Einsiedlerin brilliert abermals mit einer Stimme, die wie geschaffen ist für die doppelte Anforderung des Singens und Jodelns: Eindrücklich und einfühlsam, tragend, elegant und leicht, von einer derart sinnlichen Klarheit, dass das Publikum gar nicht anders konnte, als ergriffen zu lauschen. Und nach dem «Bruder Klausen Gebet», dem einzigen für Chor und Solo komponierten Lied, brachen die Dämme und der Applaus in der bis auf den letzten Platz gefüllten Kirche wollte nicht mehr enden.

Ein Gesamtkunstwerk


In diese Ovationen einzuschliessen sind sämtliche Beteiligten. Die Einsiedler Aufführung war ein Gesamtkunstwerk, fein austariert und klangvoll abgerundet in der musikalischen Entfaltung (Dirigent Eberhard Rex). Eindrücklich in Erinnerung bleiben die Luzerner Sängerknaben, die den Part des späteren Landesheiligen übernahmen – der dialektische Gegenpart zu Dorothea. Die jungen Männer taten dies mit einer verblüffenden Routiniertheit, präzise und facettenreich. Wie hier Eberhard Rex Jahr für Jahr die Abgänge ersetzt und sozusagen den «Phoenix aus der Asche» recycliert, verdient höchste Anerkennung. Zwar auf der Empore oben ungesehen, aber nicht ungehört blieb der Auftritt des Organisten Wolfgang Sieber. Mit stupender Sicherheit wob er im Prolog jenen musikalischen Teppich, der die Ängste und Zweifel von Niklaus von Flüh und Dorothea Wyss vorwegnahm. Und letztlich trug das Orchester Santa Maria mit seiner Dynamik und seiner Einfühlsamkeit ebenso dazu bei, dass eine Wiederholung jener Sternstunde von anno domini möglich wurde.

Einsiedler Anzeiger / Victor Kälin

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Musik

Publiziert am

08.11.2022

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