Musik
Exzellente Musik im Kerzenschein
Das Stradivari-Fest Gersau wurde mit Dvořák eröffnet und mit Piazzolla unter freiem Himmel fortgesetzt.
Musik an besonderen Orten, das ist seit sieben Jahren das Rezept des Schweizer Stradivari Quartetts. Und es geht auf. Das Stradivari-Fest Gersau lebt nicht nur von dem exzellenten Spiel der Musiker, sondern von der Nähe zum Publikum und der Einmaligkeit aussergewöhnlicher Spielorte. Am Mittwochabend trafen sich die Besucher zum ausverkauften Eröffnungskonzert des diesjährigen Festivals im Parkhotel Vitznau. Der Verlindesaal mit dem zwölf Meter langen und sechs Meter hohen Gemälde des Surrealisten Claude Verlinde auf der einen Seite und der grossen Fensterfront gegenüber mit Ausblick auf den See ist fantastisch. Die Akustik des Saals lässt auch leiseste Töne zu, und das Stradivari Quartett bot mit zwei Werken von Antonín Dvořák mehr Farbklänge als Gemälde und Aussicht zusammen. Das Streichquartett in F-Dur op. 96 trägt den Beinamen «Amerikanisches Quartett», da Dvořák darin seine Eindrücke von Amerika in Töne setzte. Xiaoming Wang, erste Violine, spielte den unwirklich hohen Vogelgesang des roten Kardinals, den Dvořák am Fluss gehört hatte, mühelos strahlend. Maya Kadosh, zweite Violine, nahm die Melodien mit kraftvollem Bogenstrich auf; Lech Antonio Uszynski verband den samtwarmen Klang seiner Viola intensiv mit dem tief empfundenen Cellospiel von Maja Weber. In den leisen, wehmütigen Themen des «Lento » hörte man die tiefe Sehnsucht Dvořáks nach der böhmischen Heimat. Ätherische Klangfarben wechselten mit indigenen Themen und tänzerisch rhythmischer Lebendigkeit; temperamentvoll, leidenschaftlich und lustvoll wurde das furiose Finale ausgereizt. Die Qualitäten des renommierten Quartettsstehenfürsich.UndinDvořáks Klavierquintett A-Dur op. 81 hatten sie mit dem Schweizer Pianisten Benjamin Engeli den kongenialen Partner. Er spielte den so virtuosen wie orchestralen Klavierpart in Harmonie und perfekt ausgeloteter Dynamik mit den Streichern. Selbst feinste Pizzicati waren klar hörbar, jede Schwingung wurde vom Pianisten aufgenommen.Diereichenmelodischen Erfindungen, üppiger Klang, Volkstümlichkeit neben romantischem Schmelz, Melancholie und tänzerischer Übermut – das alles wurde hinreissend ausmusiziert. Und dass Brahms über Dvořák gesagt hat: «Der Kerl hat mehr Ideen als wir alle. Aus seinen Abfällen könnte sich jeder andere die Hauptthemen zusammenklauben », war klar nachvollziehbar. Beim Apéro am See klang die Begeisterung über das Konzert in Gesprächen mit den Musikern und Zuhörern nach. Das Wetter spielte auch am Donnerstagabend mit: Das Kerzenlichtkonzert vor der Kindli-Kapelle in Gersau konnte bei angenehmen Temperaturen stattfinden. Hervorragend hatten die Helfer aus der Gemeinde alles vorbereitet. Der steile Weg hinunter war gut beleuchtet, zusätzliche Stühle waren herbeigeschafft worden, und jeder Sitzplatz wurde gebraucht. Die vielen Kerzen waren angezündet, als das Konzert bei einsetzender Dämmerung begann. Genügend Raum für Improvisationen Astor Piazzolla wäre dieses Jahr 100 geworden, und man erfuhr anfangs von Erwin Nigg und während des Konzerts von Uszynski vieles über den argentinischen Komponisten. Zehn sehr unterschiedliche Tangokompositionen gaben Einblick in die Welt dieses Tanzes. Passend dazu hatten Wang, Kadosh und Uszynski, die stehend spielten, viel Bewegungsfreiheit. Ausdrucksstark, mit variablem Bogenstrich und vielschichtigen Klangfarben erfasste das Stradivari Quartett den besonderen Charakter dieser Musik. In den Arrangements gab es genügend Raum für fantasiereiche Improvisationen, die die Künstler tänzelnd und mit sichtbarem Vergnügen spielten, um dann wieder in die melancholischen Weisen des Tangos zu wechseln. Maja Weber hielt mit klangvollem Pizzicato und fast perkussivem Spiel den sich ständig wandelnden Rhythmus. Mit dem berühmten «Libertango» endete das Kerzenlichtkonzert unter dem inzwischen nachtblauen Himmel.
Bote der Urschweiz / Gerda Neunhoeffer
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Bote der Urschweiz
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- Musik
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