Kunst & Design
Danioths Wandbild als Stein des Anstosses
Wie Nidwalden und Obwalden um das Wappen im Bild auf dem Bundesbriefmuseum stritten.
1935 schrieb das Baudepartement des Kantons Schwyz einen Wettbewerb für die «künstlerische Ausstattung» des neugebauten Bundesbriefarchivs (heute Bundesbriefmuseum) aus. Der Aufruf, Entwürfe einzureichen, erging an Schweizer Maler in den Urkantonen, Luzern und Zug. Heinrich Danioth erhielt den Zuschlag. Der Urner Maler und Dichter liess Grössen wie den Luzerner Hans Erni hinter sich. Danioth musste sich jedoch bis zur Umsetzung in Geduld üben. Ungeschönt schildert er diese Durststrecken und Rückschläge in einem Brief vom 2. März 1936 an Dr. Hermann Stieger, ein Mitglied des Historischen Vereins Schwyz. Darin erwähnt Danioth Bundesrat Philipp Etters aktive Rolle in der Debatte über die Modernität seines Entwurfs. Regierungsrat Bettschart mache wirklich sein Möglichstes und fühle sich gekräftigt durch die Deckung Etters. Bettschart sei glücklicherweise voll guten Vertrauens, ersuche ihn aber immer noch um weitere Geduld. «Denn inzwischen ist das Problem zu einem Finanzproblem geworden. Das Baubudget ist überschritten, und es braucht darum nur eines energischen Hinweises von Seiten eines der Sieben im Rate, um die ganze Malerei zu gefährden.» Bettschart ersuche nun aber die Berner um einen Beitrag aus dem schweizerischen Kunstkredit. Und das sei nach Bundesrat Etter, der bereits persönlich unterrichtet worden sei, gar nicht aussichtslos. Aus dem persönlichen Nachlass Philipp Etters, der von 1934 bis 1959 Bundesrat war, sind im Staatsarchiv Zug diverse handschriftliche Briefe von Heinrich Danioth an den Magistraten erhalten. Im ersten Schreiben vom 6. Januar 1936 bedankt sich Danioth für Etters positiven Einfluss und versichert ihm, bei der Umsetzung sein Bestes zu geben. Er sei sich vollauf bewusst, wie extrovertiert die Aufgabe dastehe, die an nationaler Bedeutung einem Telldenkmal oder einer Tellskapelle gleichkomme oder sogar die beiden überrage.
Streit ums Unterwaldner Wappen
Die Feierlichkeiten für das Bundesbriefarchiv, welche am 1. und 2. August 1936 stattfanden, waren kaum verklungen, da wandte sich der Nidwaldner Regierungsrat am 18. August 1936 an den Kanton Schwyz und machte geltend, dass Danioths Wandbild «nicht der historischen Wahrheit» entspreche. Im Bundesbrief von 1291, für den das Bundesbriefarchiv gebaut wurde, habe nur Nidwalden, nicht aber Obwalden mitgeschworen. Und auf Danioths Wandbild trage der Repräsentant Unterwaldens eine Obwaldner Fahne. Es sei falsch, dass Obwalden auf dem Wandbild so verewigt werde, da doch Nidwalden die Gründungsurkunde gesiegelt habe. Die Nidwaldner forderten, das Wandbild müsse an der fraglichen Stelle übermalt und durch eine neue Fahne ersetzt werden. Der Nidwaldner Regierungsrat schlug vor, die Darstellung des eidgenössischen Siegels von 1815 zu verwenden, auf dem Ob- und Nidwalden gemeinsam abgebildet sind. Der Schwyzer Regierungsrat August Karl Bettschart wandte sich an Danioth. Dieser antwortete dem Schwyzer Regierungsrat in seiner typischen Art mit subtilem Sarkasmus und zeigte sich verwundert, dass die vielen Kritiker nicht schon beim Entwurf auf den historischen Mangel hingewiesen hätten. Er erklärte sich dennoch bereit, die Änderung vorzunehmen. Ausserdem empfahl Danioth mit der Änderung noch zuzuwarten, um zu vermeiden, «die Volksmeinung erneut zu belasten». Der Schwyzer Regierungsrat teilte Nidwalden seinen Entscheid mit. Die Änderung werde nicht ausgeführt, da der Aufwand zu gross und die Kosten zu hoch seien. In die Waagschale warf Schwyz zudem, dass das Wandbild Danioths weniger eine geschichtliche als vielmehr eine künstlerische Angelegenheit sei, bei der eine gewisse Freiheit in der Gestaltung des Wappens zulässig sei. 1941 im Vorfeld der 650-Jahr-Feier der Schweizerischen Eidgenossenschaft brachten die Nidwaldner das Wappenthema erneut aufs Tapet. Wieder holte sich Schwyz bei Heinrich Danioth Rat. Dieser gab diesmal zu bedenken, dass er nicht abschätzen könne, welche Konsequenzen eine derartige Korrektur haben könnte, bot aber Hand für eine gütliche Lösung. Zusätzliche Rückendeckung holte sich der Schwyzer Regierungsrat bei einem Zürcher Experten. Daraufhin bat der Schwyzer Regierungsrat Nidwalden, auf das «Begehren nach Abänderung des Wappens wegen unüberwindbarer Schwierigkeiten technischer Art» zu verzichten. Nidwalden jedoch blieb hart, bot an, die Kosten für die «Richtigstellung» zu übernehmen. Somit lag der Ball erneut bei den Schwyzern. Zudem drängte die Zeit, denn Nidwalden wollte die Änderung noch vor den Feierlichkeiten der 650-Jahr-Feier ausgeführt wissen. Am 14. Juli 1941 hiess der Nidwaldner Regierungsrat Danioths Änderungsvorschlag gut. Fünf Tage später vermeldete te das «Nidwaldner Volksblatt» die «erfreuliche » Änderung im Wappenstreit.
Obwalden versus Nidwalden
Aufgrund des Zeitungsartikels wurden die Obwaldner nun ihrerseits beim Schwyzer Landammann Karl von Weber vorstellig. Über die geplante Änderung sei man nicht einmal offiziell informiert worden. Statt des Nidwaldner Doppelschlüssels müsse das Unterwaldner Wappen, auf dem die Schlüssel beider Kantone zu sehen sind, ausgeführt werden. Ihre Aufforderung deponierten die Obwaldner auch in Bern bei Bundesrat Philipp Etter. Im Schwyzer Rathaus wurde Obwalden einstweilen ignoriert. Immerhin meldete sich Bundesrat Etter schriftlich im Sarner Rathaus und versuchte es dort mit sanftem Druck. Er bedauere die Meinungsverschiedenheiten, doch sollten diese «brüderlichen Jalousien» bis nach der 650-Jahr- Feier zurückgestellt werden.
Vollendete Tatsachen
Ziemlich sicher rieb sich die Obwaldner Delegation kurze Zeit später an der 650-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft die Augen, denn am Bundesbriefarchiv prangte nun der Nidwaldner Doppelschlüssel. Und wie hinter den Kulissen vereinbart, schickten die Schwyzer für die Änderung die Rechnung über 590 Franken ins Rathaus nach Stans. Diese buchstäblich über Nacht geschaffene neue Tatsache wollten die Obwaldner nicht auf sich sitzen lassen. Am 8. September 1941 intervenierten sie wieder bei der Schwyzer Regierung und verlangten ihrerseits eine Änderung der Änderung. Schwyz ignorierte diese Forderung und reagierte nicht. Drei Monate später fragten die Obwaldner nach. Es kam zu einem bilateralen, mündlichen Austausch zwischen dem Obwaldner Landammann Walter Amstalden und Regierungsrat Bettschart, doch liess die Schwyzer Regierung fast drei weitere Jahre verstreichen, bis Bettschart am 22. März 1944 seinem Amtskollegen doch noch schriftlich antwortete: «Ich weiss in der Tat nicht, was ich beantragen soll. Du weisst, dass die Nidwaldner die zweite unglückliche Veränderung des Wappens bezahlt haben. Wir dürfen daher nicht so bald wieder eine neue Änderung vornehmen. Es muss sich eine bedeutende Gelegenheit bieten, das Wappen neuerdings zu ändern.» Diese Gelegenheit schien 1954 greifbar. Ein Gerücht war im Umlauf, Danioths Wandbild würde bald restauriert. Wieder wurde man bei der Schwyzer Regierung vorstellig. Inzwischen war Heinrich Danioth, der Erschaffer des Kunstwerks, verstorben. Diesmal konsultierte der Kanton den Schwyzer Staatsarchivar. Willi Kellers Stellungnahme datiert vom 22. Dezember 1954. Er konstatierte, dass beide gemalten Wappen, also jenes von 1936 und jenes von 1941, nicht dem von Nidwalden 1291 gebrauchten Banner entsprächen. An Danioths Wandbild wurden 1976 und im Jahr 2000 Restaurierungsarbeiten vorgenommen, allerdings ohne weitere Änderungen am strittigen Banner. So ist heute immer noch die von Nidwalden durchgesetzte und berappte Banner-Version von 1941 zu sehen.
Bote der Urschweiz/ Felice Zenoni*
*Der Urner Filmemacher hat dem Bote der Urschweiz diesen Artikel zur Verfügung gestellt. Er hat im Staatsarchiv Zug bislang unbekannte Briefe von Heinrich Danioth an Bundesrat Philipp Etter entdeckt.
Autor
Bote der Urschweiz
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- Kunst & Design
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