Dies & Das

«Ich möchte die Sagen erzählen und nicht ablesen»

In Oberiberg gab es letzte Woche sagenhafte Schlafbotschaften mit dem Nachtwächter Guido Schuler rund um die Holdener Schreinerei.

Pünktlich zu diesem Sagenabend kehrte der Winter zurück ins Ybrig. Bei Schneefall fanden sich über 120 Personen bei der Holdener Schreinerei ein, um deren sagenhafte Schlafbotschaften zu erleben. Das Publikum war breit durchmischt, Jung und Alt, Einheimische, aber auch Feriengäste fanden sich um 18.30 Uhr in Oberiberg ein. Einige kannten den Nachtwächter Guido Schuler bereits von früheren Veranstaltungen ennet der Ibergeregg. Der im Nachtwächtergewand gekleidete Sagenerzähler ist mit Hut, Lämpli und Hellebarde ausgestattet. Nun kam der Sagenerzähler zum ersten Mal in die Region Ybrig. «Ich lese mich immer in die Sagen ein, denn ich möchte sie erzählen und nicht ablesen», erzählte dieser nach dem Anlass. Ihm sei es wichtig, dass er mit einem roten Faden durch einen Anlass führen und sich spontan dem Publikum anpassen könne. Und so habe er sich in den vergangenen Monaten in das neue Gebiet eingelesen und sei nun bereit für weitere Anlässe in der Region.

 

Gelungener Anlass

Nach einer humorvollen Begrüssung durch Benj und Reto Holdener von der Holdener Schreinerei begab sich das zahlreich erschienene Publikum auf den kurzen Weg zur Kirche und durfte in den Bänken Platz nehmen. Dann erloschen die Lichter und im schummrigen Licht begann Guido Schuler mit dem Erzählen des Sagenguts, welches er vom Schwyzer «Sagenpapst» Hans Steinegger übernehmen konnte. Die Sagen seien keine Märchen, sondern hätten immer einen Bezug zum Ort oder zu einem Ereignis, und Schuler erklärte weiter: «Jede Sage hat einen wahren Kern, der manchmal kleiner, manchmal grösser ist …» Er wusste einige Sagen vom baumstarken (Hans) Winz zu erzählen, den man im Ybrig kennt. Aber auch vom Ohremändeli von Illgau oder Sagen über den Marchenstreit zwischen dem Kloster Einsiedeln und Schwyz gab er zum Besten. Die Mührlechrott fand ebenso ihren Platz, wie auch eine wüste Magd aus Rickenbach, die sich gegen die Franzosen behaupten konnte. «Es ist doch schön, wenn man nicht so schön ist – das kann einem sogar das Leben retten!», brachte Guido Schuler die Anwesenden zum Lachen. Sagen von Pfaffenkellnerinnen kenne man überall, das sei eine sogenannte Wandersage. Noch heute läuten die Kirchglocken bei einem Hochwasser, um die Pfaffenkellnerin mit ihren armen Seelen zu vertreiben. Es gibt ebenfalls die Sage des Rogge-Ungeheuers, der armen Seelen auf der Guggeräflueh, von den Wänglern, die am Sonntag frevlen gingen, oder diejenige von der Totenplangg. Dann schloss er den ersten Teil mit zwei Sagen aus Einsiedeln, von Oechslin und Winz und von der Schwarzen Madonna in der Franzosenzeit. Guido Schuler mischte die Sagen mit wahren historischen Begebenheiten, wie zum Beispiel, weshalb das Ybrig so heisst und wie es zur Trennung der beiden Gemeinden (und Kirchen) kam. Oder er erzählte witzige Anekdoten aus dem eigenen Leben.

 

«Häggl» und «Töggeli»

Mit seiner sehr bildnerischen Erzählweise konnte er das Publikum in seinen Bann reissen. Nach gut einer Stunde verschob sich die Gesellschaft wieder in die Schreinerei Holdener, wo es noch ein gemütliches Ausklingen mit Ybriger Chessi-Kaffee, Getränken und Gerstensuppe gab. Und nicht zu vergessen: die Abschlusssagen von Guido Schuler! Es ging um die sogenannten «Häggl», ob die nun im Bach oder in der Güllä oder auch im Felsen lebten, sie dienten dazu, dass man zum Beispiel Kindern Angst machen konnte, damit sie etwas nicht tun. Aber wer wisse schon genau, dass es diese nicht gäbe? Er mahnte die Männer, an die Bachhäggl zu denken beim nächsten öffentlichen Urinieren … Er wusste auch von den «Töggäli» zu berichten, den Nachtgespenstern, die den Schlafenden auf die Brust gingen und ihnen das Leben raubten. Schulers Rat dazu: «Wotsch ohni Töggälistress ufsto chönne, tuä dir doch es Holdener Bett gönne!»

 

Einsiedler Anzeiger / Angela Suter

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Einsiedler Anzeiger

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Publiziert am

21.02.2025

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