Rachele De Caro: «Wir stellen Menschen und ihre Geschichten ins Zentrum. Wir greifen aktuelle gesellschaftliche Phänomene auf, stossen Diskussionen an, brechen Tabus und geben jenen eine Stimme, die sonst zu kurz kommen.» Foto: Magnus Leibundgut
Rachele De Caro: «Wir stellen Menschen und ihre Geschichten ins Zentrum. Wir greifen aktuelle gesellschaftliche Phänomene auf, stossen Diskussionen an, brechen Tabus und geben jenen eine Stimme, die sonst zu kurz kommen.» Foto: Magnus Leibundgut

Literatur

Rachele De Caro: «Wir zelebrieren das Buch»

Rachele De Caro (1988) ist Mutter von drei Kindern, Verlegerin und Autorin: Sie ist geboren in Rom und aufgewachsen in Einsiedeln, wo sie auch heute lebt. Vor fünf Jahren hat sie zusammen mit ihrem Bruder Paolo De Caro den Verlag Édition De Caro gegründet.

Die Ewige Stadt und das Klosterdorf – und wie man von Rom aus nach Einsiedeln gelangt: Bereits kurz nach der Geburt wechselt Rachele De Caro von Italien in die Schweiz und wohnt seither nicht mehr nahe der umtriebigen Weltstadt Rom, sondern im beschaulichen Klosterdorf Einsiedeln. Rachele De Caro studiert Design Management und arbeitet danach beim Schweizer Möbelhersteller Vitra. Nach dieser Unternehmenserfahrung entscheidet sie sich im Jahr 2014, ein eigenes Projekt in die Tat umzusetzen: Mit dem Kafitank, dem ersten Drive-in Coffeeshop in der Schweiz, kann sie wertvolle unternehmerische Erfahrungen sammeln. Kaffee tanken, ohne das Auto zu verlassen: Das war die einfache und praktische Idee, auf dass Pendler frühmorgens ab 6 Uhr an der Zürichstrasse im ersten Bio-Drive-in von Einsiedeln auf ihre Kosten gekommen sind. Bereits während dieser ersten Erfahrung in der Selbstständigkeit – und inspiriert durch ebendiese – beginnt sie zu schreiben. Im Jahr 2019 verfasst die Einsiedlerin ihr erstes Buch: Mit «Junge Macherinnen» präsentiert Rachele De Caro nicht nur spannend zu lesende Porträts von zwölf Schweizer Unternehmerinnen. Sie zeigt auch, wie vielfältig die Lebens- und Arbeitsmodelle junger Frauen heute aussehen können und dass es nicht richtig oder falsch gibt, sondern jede ihren eigenen Weg finden muss.

 

Mit dem ersten Buch zum eigenen Verlag

Mit ihrem ersten Werk «Junge Macherinnen» porträtiert sie eine neue Generation junger Frauen, die ihren Lebensweg selber in die Hand nehmen, mutig sind und neue Pfade ergründen. «Junge Macherinnen» ist ein Projekt, das sie zusammen mit ihrem Bruder Paolo De Caro entwickelt hat. Und weil es nicht ganz einfach ist, in den heutigen Zeiten einen Verlag zu finden, gründete sie gleich selber einen: Rachele De Caro ist fortan Herausgeberin der Édition De Caro, eines neuen Sachbuchverlags in Einsiedeln.

 

Zwischentöne während der Corona-Pandemie

Mit ihrem Buch «Das Dazwischen – Sechs Persönlichkeiten, die ihre Stimme in Zeiten der Pandemie und der Polarisierung für Zwischentöne einsetzen» wagte sich die 36-Jährige an ein herausforderndes Thema und lässt darin Menschen zu Wort kommen, welche die Zeit der Pandemie differenziert, tolerant und unverblümt reflektieren. Mit diesem Buch über den Umgang mit der Pandemie, frei von Moralismus und Zuweisungen, mit aufschlussreichen Antworten auf vernachlässigte Fragen, gerät Rachele De Caro vollends zwischen die Fronten: Das Buch wird totgeschwiegen und kaum rezensiert, erreicht knapp eine Auflage von 800 Exemplaren. «Keine zwei Jahre dauerte die Corona-Pandemie», sagt Rachele De Caro: «Und schon waren sie da, die zwei Seiten. Konform oder skeptisch, mitmachen oder rebellieren, geimpft oder ungeimpft – die Pandemie hat uns dazu verführt, zu vereinfachen. Unsere Aufmerksamkeit richtete sich auf diese zwei Pole – und wir alle waren gefühlt ein Teil von ihnen.»

 

«Die reale Welt bietet mehr als nur Gut und Böse»

Medien haben in dieser Zeit unkritisch und einseitig über das Virus berichtet, das Virus und die Massnahmen. Journalisten haben sich dem Schwarmverhalten angeschlossen. Das Buch wollte helfen, diese drastische Reduktion wieder aufzubrechen. «Denn die reale Welt bietet mehr als nur Gut und Böse. Sie bietet vieles mehr dazwischen», konstatiert Rachele De Caro. Sie hat mit der Publikation dieses Buchs viel Mut bewiesen und zieht dementsprechend ein bitteres Fazit: «Es wäre wichtig, die Pandemie als gesellschaftliche Belastungsprobe zu reflektieren, um so für zukünftige Krisen gewappnet zu sein. Das Plädoyer, das uns helfen soll, solche Krisen besser zu verstehen, ist nicht angekommen.» Aber wer weiss: Vielleicht wird im Rückblick auf die Zeit der Corona-Pandemie dieses Buch über die Mitte und über Menschen, die dem Dazwischen eine Stimme geben, als Spiegel unserer Gesellschaft, als Zeitzeugnis wahrgenommen werden – von Historikern, die nachfragen, was denn da eigentlich los war in den Jahren 2020 bis 2022.

 

«Wir stellen Menschen und ihre Geschichten ins Zentrum»

Auch im Werk «Zweiheimisch – Zwölf persönliche Geschichten aus dem Einwanderungsland Schweiz» stehen Menschen im Zentrum: Es ist ein Buch über Menschen, die in die Schweiz gekommen sind, um zu bleiben. Ihre Geschichten und ihre Handlungen prägen unser Land und unsere Gesellschaft. Es ist ein Buch über Identität, ein Spiegel unserer Bevölkerung, ein Zeitzeugnis. Für Furore sorgte im vergangenen Jahr das Buch «Hafächabis, Chabis und Schaffleisch, Chabishafä – Ein Urschweizer Kulturgut»: Dieses Buch über das Kochen von nur einem Gericht – eine Liebeserklärung zum Nachkochen – verkaufte sich prima. Und bereits steht das nächste Werk in der Pipeline: «Alle Weisheit dieser Welt ist schon lange ausgesprochen – 10 Fragen unserer Zeit, beantwortet mithilfe von längst formulierten Einsichten, Demut und Hoffnung » erscheint Mitte September. Grössen wie der Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger, die Autorin Ronja von Rönne oder der Ökonom Mathias Binswanger beantworten darin brennende Fragen unserer Zeit.

 

Stimme der ländlichen Bevölkerung

Neben ihrer Tätigkeit im Verlag arbeitet De Caro als freie Journalistin. Dabei ist es ihr unter anderem ein Anliegen, die Stimme der ländlichen Bevölkerung in den grossen Medienhäusern zu vertreten, da diese aus ihrer Sicht nicht genügend eingebunden sei. In der NZZ am Sonntag hat Rachele De Caro den Artikel «Die Stimme der ländlichen Bevölkerung versiegt» publiziert. «Die Medien berichten heute vorwiegend aus den grossen Zentren heraus: Das ist ein Problem», erklärt De Caro: «Die publizistische Vielfalt sowie die Berichterstattung aus den unterschiedlichen Regionen weichen einer urban geprägten Eintönigkeit.» Gesellschaftliche Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten sei wichtig, damit sich die Menschen eigene Meinungen bilden können, erklärt sie ihr Engagement und verweist dabei auf die Zeit der Pandemie. So konnte sie im vergangenen Jahr Texte im «Tagesanzeiger», in der «Sonntagszeitung» oder in der NZZ veröffentlichen.

 

Schreiben, um zu bewegen 

Sie hat unter anderem den Erfahrungsbericht «Ein Leben ohne Smartphone – so funktionierts » geschrieben. «15 Jahre lang schaute ich regelmässig auf den kleinen Bildschirm – und kann mich an nichts Wichtiges erinnern», hält die Herausgeberin fest: «Seit ich darauf verzichte, hat sich eine neue Welt aufgetan, es ist befreiend.» Ein weiterer Text handelt von der Rolle der Mutter in der heutigen Gesellschaft. Der Artikel mit dem Titel «Das Lebensmodell von Müttern ist zur gesellschaftlichen Obsession geworden» erschien im vergangenen Jahr in der NZZ. Darin geht es insbesondere um den Wert der Erziehungsarbeit der Eltern, die viel Kraft und Zeit in Anspruch nimmt. De Caro spricht dabei aus Erfahrung. Denn in den letzten acht Jahren war sie vor allem anderen eines: Mutter. Geschrieben wurde darum auch viele Stunden in der Nacht, wenn die Kinder schliefen. Die Menschen zum Nachdenken animieren, ihnen helfen etwas besser zu verstehen oder einzuordnen, das sei es, was die Einsiedlerin mit ihren Büchern und ihren Texten anstrebe. Dies im Einklang mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Unternehmertums zu bewerkstelligen, sei nicht immer einfach – aber eine Herausforderung, die sie motiviere.

 

Einsiedler Anzeiger / Magnus Leibundgut

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Literatur

Publiziert am

11.05.2024

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