Dies & Das
«Ein Haus mit Wahnsinnswert»
In der Perfiden wurde nahe der vermuteten Burg ein Haus auf das Baujahr 1270 datiert. Dieses Haus in der Perfiden ist in eine geschichtsträchtige Gegend und Zeit eingebettet und hat Zukunft.
In den Dörfern Schwyz und Steinen sind bisher neun Häuser nachgewiesen, die vor dem Jahr 1300 erbaut worden sind. Doch was jetzt in der Perfiden in Rickenbach entdeckt wurde, toppt in mehrfacher Hinsicht das bisher Vorgefundene: Das Haus Acherli (Perfiden 5) ist mit seinen 750 Jahren das viertälteste bisher «entlarvte», es ist bewohnt, sehr viel von seiner Kernsubstanz ist erhalten, und es ist äusserlich kaum verändert an seinem ursprünglichen Ort geblieben. «Ein Wahnsinnswert. Ein schönes Haus und ein wertvolles Kulturgut», schwärmt Monika Twerenbold, Denkmalpflegerin des Kantons Schwyz. Auch der Standort ist äusserst interessant: Es ist Teil eines alten Häuserensembles und liegt am uralten Verbindungsweg von Schwyz Richtung Ibergeregg- Ybrig und Illgau-Muotathal. Schliesslich soll nur 40 Meter davon entfernt die sagenhafte Burg Perfiden gestanden haben.
Sanierung geplant
«Mein Sohn Ruedi wollte das Haus Perfiden 5 in Rickenbach sanieren», erzählt Alois Fassbind. Der beauftragte Planer kontaktierte die kantonale Denkmalpflege. «Es sei besser, zuerst mit dem Denkmalschutz zu reden und dann die Planung mit ihm abzustimmen », erzählt «Laui Wisel» – obwohl das Objekt nicht einmal im kantonalen Schutzinventar (KIS, vormals Kigbo) aufgeführt war. Fassbind wuchs zusammen mit sechs Geschwistern und den Eltern in diesem Haus auf. Die bauarchäologische Untersuchung brachte dann die eigentliche Sensation an den Tag: Das Haus ist 750 Jahre alt und damit das viertälteste nachgewiesene Haus im Reigen der alten Bauten. Lediglich eines an der Räbengasse in Steinen ist ein Jahr älter und ebenfalls noch bewohnt. Die am 20. Mai entnommenen Proben wurden dendrochronologisch untersucht. Aufgrund der Jahrringe der Holzbalken kann eindeutig nachgewiesen werden, dass die Bäume im Winterhalbjahr 1269/70 auf einer Höhe zwischen 1000 und 1200 m ü.M. geschlagen wurden. Anschliessend wurden sie talwärts gereistet und ab Frühjahr 1270 verbaut, heisst es im Bericht von Ulrike Gollnick, deren Büro für Bauforschung, Archäologie und Beratung von der kantonalen Denkmalpflege mit dem Untersuch beauftragt worden ist.
Bauweise verrät hochstehende Zimmermannsarbeit
«Für uns ist das Haus ein Glücksfall», kommentiert die kantonale Denkmalpflegerin Monika Twerenbold die Entdeckung. Denn nicht nur das Alter und die Substanz sind aufsehenerregend. Durch die Kooperation des Eigentümers Ruedi Fassbind erhält das Objekt einen Mehrwert. Er hat selber Freude am Kulturgut, möchte es mit denkmalpflegerischer Begleitung sanieren und weiterhin als Wohnhaus nutzen. Damit hat das 750 Jahre alte Haus eine Zukunft. Das zweigeschossige Objekt mit einem niedrigen Dachraum steht auf einem Sockelgeschoss. An der östlichen Trauffassade (Richtung Aufiberg) sitzt eine Laube. Es ist in Blockbautechnik errichtet. 80 bis 90 Stämme – Herzstücke der Fichte – wurden zu Vierkantbalken verarbeitet, mit äusserster Präzision und handwerklichem Geschick aufeinandergeschichtet und mit Holzdübeln zusammengehalten. An den Gebäudeecken sind die Balken verkämmt. Die heutigen Fenster ersetzten vermutlich 16 mal 40 cm grosse Luken, die Belüftungs- und Beleuchtungsöffnungen waren. Wahrscheinlich im 19. Jahrhundert gab man die offene Rauchküche durch den Einzug einer Zwischendecke auf. Die Innenwände und Decken sind mit einem rötlich- bis schwarz-braunen Anstrich versehen worden. Der Grund für diese Behandlung ist noch nicht eindeutig geklärt.
Das Haus steht an seinem ursprünglichen Standort
«Es können einige spätere Interventionen belegt werden», heisst es im Untersuchungsbericht, doch das bauzeitliche Gefüge und die Aussengestalt seien nur geringfügig verändert worden. Der grösste Teil des Ursprungsbaus von 7,3 mal 6,9 Meter Ausdehnung ist im Wesentlichen erhalten geblieben – und wird so von einem Mitglied der Familie Fassbind bis heute bewohnt. Ein Teil der Nordfassade wurde vermutlich durch einen Brandvorfall geschädigt und teilweise durch ein Mauerwerk ersetzt. Das Haus ist aus einem weiteren Grund noch interessant: Das Fehlen von Abbundzeichen lässt darauf schliessen, dass es immer noch dort steht, wo es erbaut worden ist.
Das Toggeli am Eindringen gehindert
Wie aus vergleichbaren Häusern bekannt, weist auch das Haus in der Perfiden Zeichen der Volksfrömmigkeit auf, schreibt Ulrike Gollnick: Keilförmige Holzstücke, sogenannte Geisterbanndübel, sollten das Toggeli abwehren – ein Nachtmahr, der sich auf die Brust der Schlafenden setzt und ihm der Atem raubt, bis dieser erwacht. Auch Verpflöckungen können nachgewiesen werden und ein eingeritztes Bild einer Kirche oder einer Burg an der Nordwand.
«Das Knechthaus der alten Burg Perfiden»
Vielleicht sind die Schwyzer die einzigen, die nicht wahrhaben wollen, was für ein Schatz die Landschaft zwischen Muotathal und Arth beherbergt. In dieser Talschaft, Kern des Alten Landes Schwyz, gibt es eine ganze Gruppe von mittelalterlichen Häusern, insbesondere in Steinen, das nie durch einen Dorfbrand zerstört wurde, und in Schwyz, das wie die umliegenden Dörfer von Krieg und Zerstörung verschont blieb. Bisher sind rund 30 Häuser bekannt, die in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert werden können. Neun sind gar vor 1300 erbaut worden. Die zwei bekanntesten sind das Haus Bethlehem im Dorf Schwyz von 1287, das museal genutzt wird. Das Haus Nideröst mit Baujahr 1176 ist das mit Abstand älteste. Es stand einst im Tschalun im Schwyzer Hinterdorf, was wahrscheinlich nicht sein ursprünglicher Standort war. Nach langen Querelen wurde es mit Teilen von Originalsubstanz in Morgarten wieder aufgebaut. Erwähnenswert ist auch das Haus Büölti im Ried ob Schwyz, 1298 erbaut und nach einer jüngst durchgeführten Renovation wieder bewohnt. In Steinen stehen zwei weitere Häuser, die älter sind als das Perfidenhaus.
«Die Häusergruppe ist von europaweiter Bedeutung»
«Die Dichte an so alten Holzhäusern auf so engem Raum ist einmalig», wertet die kantonale Denkmalpflegerin Monika Twerenbold die Ansammlung der (teils) meist noch bewohnten Kulturgüter. «Diese Objekte sind nicht einfach nur für Schwyz oder für Steinen relevant, sondern für die ganze Schweiz. Ich will wirklich den Mund nicht zu voll nehmen. Aber die Häusergruppe ist von europaweiter Bedeutung. Sie ist einmalig », hält Nott Caviezel, ehemaliger Präsident der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege fest. Das nun «entdeckte» Haus in der Perfiden besticht jedoch nicht nur durch sein Alter. Auch die Umgebung, in der es steht, ist geschichtsträchtig. «Mein Vater erzählte, dass es sich um das Knechthaus der Burg Perfiden handelte», weiss Alois Fassbind, der in diesem Haus aufgewachsen ist. Das Haus liegt unmittelbar am alten Weg von Rickenbach über die Ibergeregg ins Ybrig und über Aufiberg ins Muotatal.
In unmittelbarer Nähe zur Burg Perfiden
Der Schwyzer Pfarrer und Historiker Thomas Fassbind hatte in der Perfiden zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch mit eigenen Augen die Überreste einer Burg gesehen und beschrieben, die als Zollstäte für die Strasse ins Ybrig und nach Muotathal-Illgau gedient haben soll. Sie wurde nur 40 Meter nordwestlich des Hauses Acherli 1954/55 von Josef Kessler bei archäologischen Sondierungen nachgewiesen und soll 1393 zerstört worden sein. Vor der Zerstörung der Burg sollen «merkliche Reichtümer an Geld da vergraben worden sein», schreibt Fassbind. Gefunden wurde bisher jedoch (noch) nichts. Der Weiler Perfiden besteht aus einer stattlichen Gruppe von Häusern aus dem 16./17. Jahrhundert. In diese Gruppe reiht sich das Haus Ochsenmatt, das einst zum Kloster Einsiedeln gehörte. Die Fassbinds kamen 1948 in den Besitz des nur 290 Quadratmeter grossen Grundstücks mit dem Haus, als es von Martin gekauft wurde. 1980 erwarb es sein Sohn Xaver aus der Erbengemeinschaft. 2018 verkaufte dieser das Haus an seinen Enkel Ruedi, der es nun sanieren möchte. Das Haus an der Adresse Perfiden 5 war früher als Hasenmattli bekannt, in neuerer Zeit als Acherlihaus.
Bote der Urschweiz / Franz Steinegger
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