Bühne
KKS-Theater abgefahren und surreal
Mit der Groteske «König Ubu» frei nach Alfred Jarry setzt das Schwyzer Kollegi-Theater seinen Reigen ausgesuchter Bühnenklassiker fort. Diesmal mit einer Portion Trash und Punk. Ein herrliches Vergnügen.
Ungeübte Theaterbesucher mögen sich beim Betrachten des illustren Spiels des 19-köpfigen Kollegi-Theater-Ensembles die Augen reiben. Wie in einem Shakespeare-Königsdrama raubt und mordet ein grössenwahnsinniger und dekadenter Despot durch die Geschichte. Dies aber in einem trashigen Dekor, in schrillen Kostümen, mit absurden Requisiten und zu brachialer und lauter Musik.
Aktuelle Bezüge
Visuell hat Regisseur und Produktionsleiter Klaus Opilik schlicht alles überzeichnet. Dies sicher auch aus der Überlegung, da der Text des französischen Schriftstellers Alfred Jarry ebenso eine Überzeichnung des klassischen Bühnendramas ist. Abgefahren, absurd und surreal. Verständlich, hatten die Dadaisten im frühen 20. Jahrhundert am damals bereits 30- jährigen Stück (und 10 Jahre nach dem Tod des Autors) ihre helle Freude. Ein solche darf aktuell auch das Theaterpublikum im Kollegi Schwyz haben. Vorausgesetzt, man lässt das Geschehen auf sich wirken und erwartet weder eine klare Handlung noch solche Charaktere. In den knapp zwei Stunden passiert nämlich im rasanten Spiel derart viel auf der Bühne aus Baugerüsten, Ölfässern und Autoreifen, dass einem eben diese Handlung entgleiten könnte. Dies liegt aber durchaus drin. Deswegen ist das Stück auch kein Drama, sondern eine Groteske. Aber es ist auch eine Parabel auf den Wahnsinn der Diktatoren, Kriegstreiber, Raubritter und aus aktueller Sicht gar die Abzocker und (Pferde)-Lasagne-Produzenten. Deren Treiben mit einem netten Spiel zu kommentieren, wäre an sich noch verrückter. Da passt dann Otto Waalkes’ Diktatoren-Rap «Mao tse tung» perfekt in das Stück. Solche und andere Regieeinfälle setzen «König Ubu» des KKS-Schultheaters die Krone auf.
Tolles Ensemble
Ein ganz dickes Lob gebührt vor allem den Schauspielerinnen und Schauspielern. Die Darstellung der schrillen Figuren und die schwierigen wie absurden Texte in Bühnendeutsch und Dialekt fordern einiges ab. Auch schafft es das Ensemble, dem Tempo der Inszenierung gerecht zu werden. Dies ist 1977 Peter Brook mit seiner Pariser «Ubu»-Inszenierung zumVerhängnis geworden. Immerhin hat Klaus Opilik Brooks Definition des «derben Theaters» in «König Ubu» aufgenommen, und sein Ensemble dankt ihm dies mit grosser Spielfreude und Talent. Jason Baggenstos als Ubu ist alleine den Theaterbesuch wert. Tobias Wiget als Ubus Kompagnon und späterer Feind Hauptmann Bordure ist ein Ereignis, und Aaron Gwerder schöpft als gemordeter König Wenceslas, Zar Alexander, Bauer, Bär oder Kapitän aus dem Vollen. Auch Roman Culatti – vor allem in der Rolle des Bubelas und im Zusammenspiel mit seiner Mutter Königin Rosmunde (Petra Steinegger) – hat wieder grossartigeAuftritte. Auch König Ubus hinterlistige Mutter Mère Ubu, gespielt gleich von einem Trio (Livia Heiniger, Salli Raiski und Eva Trutmann), war top. Eigentlich wären es sogar deren vier. Simona Betschart musste wegen Grippe sowohl an der Premiere wie auch am Samstag passen. Ihre Kolleginnen meisterten die Absenz aber toll.
Einfach schauen gehen
Noch dreimal wird «König Ubu» im Kollegi aufgeführt. Die Geschichte vom an sich feigen Offizier, der – um König von Polen werden zu können – seinen Herrscher Wenceslas und dessen Gefolgschaft massakriert und später gleich noch die Protagonisten des Adels, der Justiz und der Finanzen exekutiert, ist ein herrliches Theatervergnügen. Fernab des klassischen Guckkasten-Bühnenspiels, dafür mit viel Ironie und nicht wenigen Querverweisen auf aktuelle Geschehnisse. Zwischendurch kann dem Betrachter aber durchaus auch einmal das Lachen im Hals stecken bleiben. Und das ist gut so.
Bote der Urschweiz
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