Die Strichmännchen von Harald Naegeli am Beinhaus von St. Peter und Paul auf der Ufnau. Bild Archiv SKP
Die Strichmännchen von Harald Naegeli am Beinhaus von St. Peter und Paul auf der Ufnau. Bild Archiv SKP

Kunst & Design

Vergänglichkeits-Symbol von Naegeli realisiert sich selbst

Die vor gut zwei Jahren vom einstigen «Sprayer von Zürich» geschaffenen Graffiti-Skelette auf der Ufnau sind am Verschwinden: Einerseits nagt der Zahn der Zeit an selbigen, andererseits auch Vandalen-Finger.

Es war der Coup des damals 82-jährigen Harald Naegeli: Der als Sprayer von Zürich international bekannte Künstler sprayte an der Eröffnung der Art Ufnau vor zwei Jahren zwei Strichmännchen ans Beinhaus bei St. Peter und Paul. Seine Graffiti- Werke polarisierten schon immer, sein «Totentanz» auf der Ufnau ebenso. Die Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus. Einige meinten, das Ganze sei «hässlich», andere freute die Aktion und das Resultat.

 

Kratzspuren sind offensichtlich

Einige weniger Erfreute haben am Kunstwerk offenbar ihren Frust abgearbeitet. Wer das Werk, allenfalls im Rahmen eines Besuchs der aktuell laufenden «art ufnau» etwas genauer betrachtet, entdeckt zahlreiche Kratzspuren. Das bestätigt auch Anna-Barbara Neumann, der Geschäftsleiterin der Harald-Naegeli-Stiftung, gegenüber unserer Redaktion: «Verwitterungs- und Kratzspuren sind mir bei meinem letzten Besuch auch aufgefallen, aber das gehört wohl zu dieser Art von Kunst dazu.» Insbesondere die Sanduhr, in der Kunst seit dem 14. Jahrhundert als Zeichen für Vergänglichkeit und Tod verwendet, zerrinnt dem Skelett förmlich zwischen den Fingern. Das Verschwinden ist natürlich vor allem der Witterung geschuldet.

 

Kloster will keine Anzeige machen

Das Kloster, als Besitzer der Insel und der dortigen Gebäude und somit des Kunstwerks von Naegeli, will nichts unternehmen, wie der Verwaltungsdirektor Marc Dosch auf Nachfrage sagt (siehe «Drei Fragen an …»). Das Totentanz-Graffiti auf der Nordwand von St. Peter und Paul war damals nicht als Teil der Ausstellung geplant, wie Abt Urban an der Eröffnungsrede der Art Ufnau 2022 betonte. Dass Naegeli eigenhändig die Dämonen des Todes sprayte, missfiel indes nicht: «Der Ort ist richtig gewählt, weil er schon vor 1000 Jahren dafür gewählt wurde. Seine Zeichnungen führen aussen weiter, was hier drinnen schon lange vor Naegeli angelegt worden ist: Es ist vergängliche Kunst, die auf die Vergänglichkeit hinweist und darauf, dass wir unsere Dämonen der Verneinung anschauen und gar bekämpfen müssen.» Die Graffiti-Kunst provoziere: «Mach etwas aus deinem Leben, die Zeit läuft. Die Sanduhr ist darum vom Westen her sichtbar».

 

«Memento mori» wirkt weiter»

Dem Künstler selbst dürfte es nichts ausmachen, dass seine Ufnau-Kunst dem Tod geweiht ist, aber gegen eine Rettung hätte er wohl nichts. Bezüglich Entfernung seiner Kunst erklärte er 2017 gegenüber der «NZZ» betreffend seinen «Totentanz der Fische» im Zürcher Grossmünster: «Ich bin sehr dafür, dass dieses Kunstwerk nach zehn Jahren wieder entfernt wird. Ich mag die Vorstellung, dass meine Kunst auf Vergänglichkeit angelegt ist. Vielleicht könnte man die Reversibilität sogar als neuen Kunstbegriff einführen. » Dass wiederum andere Werke von ihm konserviert worden sind, dagegen hat er nichts einzuwenden. «Ich will ja nicht stur pochen auf das Prinzip der Vergänglichkeit, der wir uns ja sowieso nicht entziehen können», erklärte er im erwähnten Interview weiter. Der Totentanz auf der Ufnau jedenfalls hatte von Beginn weg seine Wirkung, wirkt immer noch und wird in Erinnerung bleiben – sogar wenn die Skelette dereinst völlig im Mauerwerk verschwinden sollten. Das aufgesprühte Memento mori wird erst dann verges-sen sein, wenn sich niemand mehr daran erinnert. Im Moment ist die Sanduhr am Mauerwerk jedenfalls noch zu sehen beziehungsweise zu erahnen – und die Skelette tanzen noch im Naegeli-Style – egal, ob es gefällt oder nicht.

 

Höfner Volksblatt und March-Anzeiger / Martin Risch

Autor

Höfner Volksblatt & March Anzeiger

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  • Kunst & Design

Publiziert am

13.06.2024

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