Walter Kälin (links) spricht mit Werner Oechslin über sein Leben als Wissenschaftler und als Einsiedler Büchermensch (von links). Bild Eugen von Arb
Walter Kälin (links) spricht mit Werner Oechslin über sein Leben als Wissenschaftler und als Einsiedler Büchermensch (von links). Bild Eugen von Arb

Dies & Das

Wenn der Prophet wenig gilt im eigenen Land

Anlässlich des 80. Geburtstags von Werner Oechslin ging am Donnerstag im Museum Fram in Einsiedeln ein Gespräch zwischen dem emeritierten Professor für Kunst- und Architekturgeschichte der ETH Zürich und Walter Kälin über die Bühne.

Am 3. Oktober kann der Einsiedler Werner Oechslin seinen 80. Geburtstag feiern: Ein willkommener Anlass für Walter Kälin, mit dem emeritierten ETH-Professor für Kunst- und Architekturgeschichte und dem Mann hinter der nach ihm benannten Bibliothek über dessen Leben und Werk zu sprechen. Wie hat er das alles zustande gebracht? Vielleicht so, wie er seine Bibliothek aufgebaut hat: «Man tut es einfach!» Wenn in den letzten Monaten und Jahren von Werner Oechslin die Rede war, dann meistens im Zusammenhang mit der von ihm aufgebauten Bibliothek auf der Luegeten in Einsiedeln. Anlässlich seines 80. Geburtstags im Oktober sollte Werner Oechslin aber nicht auf die Bibliothek und deren Probleme reduziert werden. Walter Kälin wollte mit Werner Oechslin über sein Leben als Wissenschaftler reden und den Einsiedler Büchermenschen auch von seiner privaten Seite näher kennenlernen.

 

«Ich bin am Welttheater stehend eingeschlafen»

Eingangs des Gesprächs will Walter Kälin von Werner Oechslin wissen, wie es dazu kam, dass dieser im Jahr 1955 als Elfjähriger in die Rolle des Kindes beim Einsiedler Welttheater schlüpfte. «Ich musste dem Regisseur Oskar Eberle ein Gedicht vortragen, das hat ihn überzeugt, dass ich für diese Rolle tauge.» Was ihn nicht davon abgehalten habe, während einer Aufführung stehend einzuschlafen, sodass er seinen Einsatz verpasste. Vom Welttheater 2024 zeigt sich Werner Oechslin begeistert: Es sei eine grandiose Inszenierung gewesen, auch wenn er Mühe gehabt habe, den Text akustisch zu verstehen. Dieser sei angesichts der optischen Effekte der Aufführung etwas untergegangen. «Doch zum Glück habe ich den famosen Text von Lukas Bärfuss gelesen», sagt Werner Oechslin: «Schön ist, was wahr ist.» Es sei eine gute Idee gewesen, aus einem Mädchen eine junge Frau und schliesslich eine Greisin entstehen zu lassen.

 

«Man wird älter – es fängt an zu ‹löderle›»

Das Älterwerden geht naturgemäss auch an Werner Oechslin nicht spurlos vorbei: «Man wird älter. Es fängt an zu ‹löderle›.» Er treibe keinen Sport, hierzu sei er zu faul. Das Älterwerden sei nicht ein Problem an sich: «Es kommt, wie es kommen mag.» Die Beschäftigung mit Kunst und Kultur halte einen jung. Walter Kälin wirft ein, dass der Prophet nichts gelte im eigenen Land. Werner Oechslin entgegnet, dass er in Einsiedeln nie ein geliebter Bürger gewesen sei: «Es gibt im Klosterdorf viele Vorurteile gegenüber Intellektuellen. Ich vermisse eine offene Gesellschaft hierzulande.» Er sei in Rom und Berlin, in den USA und in Frankreich angekommen, nur in der Schweiz werde er nicht gebraucht. In der Schweiz würden ein sonderbares Demokratieverständnis und ein Anpassungsdruck herrschen: «Hierzulande wird auf die Menschen ein Druck ausgeübt, so wie die anderen sein zu müssen.»

 

«Wir leben in einer sonderbaren Welt»

Walter Kälin schildert, wie er Werner Oechslin in der Jugend an der Stiftsschule als einen sehr lebendigen Typen wahrgenommen habe – vielleicht ein Hochbegabter mit einem ADHS-Syndrom? Werner Oechslin erzählt, dass er gute Erinnerungen an seine Jugend im Klosterdorf habe und er trotz negativer Erfahrungen gut verwurzelt in Einsiedeln sei. Schliesslich lenkt Walter Kälin das Gespräch auf die Bibliothek Werner Oechslin in Einsiedeln und auf die Frage, was diese dem Klosterdorf bringe. Oechslin führt aus, was eine Forschungsbibliothek sei und bedeute, welchen Wert die 80’000 Bücher für das sich verändernde Wissen und den Erkenntnisgewinn haben mögen. Oechslin vermisst ein Amt in der Schweiz, das sich um das Bibliothekswesen kümmert: «Wir leben in einer sonderbaren Welt. Niemand ist kompetent, was Bibliotheken betrifft. Es fehlt an einem kulturellen Bewusstsein.»

 

 «Eine Bibliothek ist halt nicht sexy»

Nun gelte es nach dem Nein des Schwyzer Kantonsrats zur Mitfinanzierung der Bibliothek einen Plan B in Angriff zu nehmen und eine Reduktion des Betriebs ins Auge zu fassen. «Jetzt kommt eine Durststrecke auf uns zu – eine Bibliothek ist halt nicht sexy.» Zu guter Letzt werden im Gespräch Bauten im Klosterdorf thematisiert: Werner Oechslin lobt das Haus Waldstatt in Einsiedeln: «Es ist ein schönes, originelles Gebäude, mit einer eigenen Sprache, lustig gebaut.» Auch der Silo setze gute Akzente im Industriequartier, wo andere Gebäude ungeplant gebaut worden seien. Und die monumentale Fassade des Hauses Zwei Raben gebe dem Platz und dem Dorfzentrum ein Gesicht, das dem Klosterdorf fehlen würde, wenn man diese Fassade abreissen würde. Beim Bahnhof in Einsiedeln vermisst Werner Oechslin derweil eine gesamtheitliche Planung, wo man doch jetzt bereits beim Busbahnhof mit dem Umbau begonnen habe: «Wieso nicht die Gleise im Kopfbahnhof um fünfzig Meter zurücksetzen, auf dass viel Raum entstehen würde für einen grosszügigen Platz im Zentrum des Klosterdorfs? »

Einsiedler Anzeiger / Magnus Leibundgut

 

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Einsiedler Anzeiger

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Publiziert am

24.09.2024

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