Bühne
Von Philosophie bis zum Gruseltext
Wollerau fieberte am Samstagabend im Dichterwettkampf. Die Kulturkommission hatte zum ersten Poetry Slam gerufen, der mit Quer-, Um- und Durcheinanderdenkern glänzte.
Die Note 1 galt für Texte, «die nie hätten geschrieben werden sollen» und die Note 10 sollte jenen gegeben werden, «die im Raum den kollektiven Orgasmus auslösen». Vorweg: Einser gab es keine, Zehner hingegen einige. Der erste Poetry Slam in Wollerau war ein Erfolg. In der Mehrzweckhalle Riedmatt kämpften acht mehr oder weniger geübte Slammer und spontan die Wollerauerin Edith Schuler um die Gunst des Publikums. Im ersten Durchgang hatte jeder Teilnehmer sechs Minuten Zeit, um seinen Text gekonnt zu präsentieren. Im Publikum sassen sieben Jurymitglieder, die diesen Job spontan zugeschrieben erhielten.
Aktuelle Wahlkampfrede
Simon Chen moderierte durch den Abend und slammte zum Aufwärmen als Erstes die «Anleitung zur Wahlkampfrede». Brandaktuell wusste er: «Der echte Politiker ist ein Prophet». Das Los hatte über die Reihenfolge entschieden. Rea Regli eröffnete mit einer akustisch betont theatralischen Darbietung über «Paaaapiiiiii» und seine Forderung, sie solle endlich erwachsen werden. Gregor Stähli slammte «Von der fabelhaften Amnesie» eines Studentenlebens. Die Zukunftsvision von Philip Vlahos, was eine angenommene Waffeninitiative für die Schweiz hätte bedeuten können, war schauderlich blutrünstig überspitzt, aber genauso mit Cleverness gestrickt.
Kafka, Kuschelteam und mehr
«Walle, walle zur Novelle» – für Daniela Dill war klar «Kafka, ich will ein Kind von dir», ein literarisch inspiriertes, poetisch zu Papier gebrachtes, wohl verstanden. Marcel Baumgartner verfärbte den Saal sechs Minuten kitschig-sarkastisch rosarot mit dem Thema «Kuschelteam» im Wellnessurlaub. «Warum reimt sich ‹Wahlen› auf ‹Qualen›?», fragte Michael van Orsouw in seinen fertig gedachten Alltagsphilosophien. Ivo Engeler stellte danach mit «Wer war zuerst» genauso charakterstarke Fragen mit pointierten Kurztexten. Mit lauten «Virgin, Virgin, Virgin!» hatte das Publikum traditionsgemäss die Newcomerin und Einheimische Edith Schuler zu begrüssen. Sie philosophierte über die Pflicht des Lachens und Traurigseins. Judith Stadlin erntete mit «Hotline der Hölle» erneut vergnügtes Lachen – ganz ohne Pflicht.
Bewertung mit Tücken
Von diesen neun Slammern erreichten Judith, Ivo, Rea und Daniela das Halbfinale. Spätestens hier wurde klar, dass das Bewertungssystem wohl nicht fehlerfrei war. Die beliebte Judith flog wegen einem Punkt Unterschied raus. Ein missmutiges Raunen durchzog das Publikum. Daniela und Rea standen im Finale: Klare Siegerin, wahrscheinlich auch über den ganzen Abend gesehen, war Daniela Dill. Ihr poetisches, inhaltliches und rhythmisches Textgeschick war bei all ihren drei Darbietungen schlicht stark. Als Preis gab’s eine Flasche Quittenschnaps aus Wollerauer Eigenbrand. Das Publikum war sich wohl einig, der Wollerauer Poetry Slam darf sich gerne als Tradition etablieren.
March-Anzeiger und Höfner Volksblatt / Tanja Holzer
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