Urs Leuzinger (rechts) auf dem Köhlerplatz unmittelbar vor der Zwingsbrücke eingangs Bisistal. Bilder: Franz Steinegger
Urs Leuzinger (rechts) auf dem Köhlerplatz unmittelbar vor der Zwingsbrücke eingangs Bisistal. Bilder: Franz Steinegger
Walter Imhof (blaues Hemd, mit Brille) erklärt, warum die Wildbeuter vor Jahrtausenden überhängende Felsen wie hier am Flözerbändli als Rastplätze aufsuchten. Bilder Franz Steinegger
Walter Imhof (blaues Hemd, mit Brille) erklärt, warum die Wildbeuter vor Jahrtausenden überhängende Felsen wie hier am Flözerbändli als Rastplätze aufsuchten. Bilder Franz Steinegger

Dies & Das

Zeitreise von der Steinzeit bis in die jüngste Vergangenheit

Seit 12 000 Jahren lassen sich Spuren von Menschen im Muotatal nachweisen, wie eine Exkursion aufzeigte.

Unter dem Titel «Schwyz. Geschichte eines Kantons» findet derzeit eine Ausstellung im Bundesbriefmuseum statt. Als Rahmenprogramm werden Exkursionen in allen sechs Bezirken angeboten, wo diese Spuren handfest zu entdecken sind. Am Samstag führte diese Spurensuche in die weiteste Vergangenheit zurück. Im Muotatal lassen sich menschliche Aktivitäten bereits nach dem Ende der Eiszeit, am Übergang von der Altsteinzeit in die mittlere Steinzeit zurückverfolgen – datiert rund 12 000 Jahre vor heute. Annina Michel, Leiterin des Bundesbriefmuseums, konnte 40 Teilnehmende begrüssen, aufgrund der engen Platzverhältnisse auf zwei Gruppen aufgeteilt – eine am Morgen, die andere am Nachmittag.

 

Holz aus der wilden Muota «gefischt»

Beleuchtet wurde der Ausflug in die Vergangenheit des Kantons Schwyz von zwei ausgewiesenen Fachleuten: dem Lokalhistoriker und Höhlenforscher Walter Imhof und dem Archäologen Urs Leuzinger. Die beiden sind seit 2005 ein «Dreamteam». «Ohne Walter und seine umfassenden Ortskenntnisse wären wir nie zu den teils sensationellen Ergebnissen gekommen», sagte Leuzinger. Umgekehrt begleitete dieser den Einheimischen mit seinen wissenschaftlich fundierten Kenntnissen. Am ersten Halt von der Husky- Lodge auf der alten Landstrasse ins Bisital marschierend gings um die jüngere Vergangenheit. Eine alte Steinmauer zeugt von der überdachten Gruebi mit Bildstöckli, die zum Beten einlud und als Unterstand diente. Sie ist die einzige sakrale Wüstung im Muotatal. «Mit dem Bau der Bisistalerstrasse vor 145 Jahren wurde diese Wüstung aufgegeben und eine ähnliche Gruebi an der neuen Strasse aufgebaut», wusste Walter Imhof. Die Einheimischen kennen die neue Gruebi unter dem Namen «Herrgott».

 

Ein verziertes Hirschgeweih, das Aufmerksamkeit erregt

Weiter gings zum ehemaligen Köhlerplatz bei der Zwingsbrücke. Dort wurde bis vor 130 Jahren Holz aus dem Bisistal herangeflösst und aus der Muota «gefischt», um es in Holzkohle für den Export und den Einsatz in den lokalen Schmieden aufzubereiten. «Vom Ortsnamen Zwingsbrücke lässt sich eine Engstelle ableiten, hier muss man durch», erklärte der Archäologe Urs Leuzinger. «Das gab uns den Hinweis, dass hier eine uralte Passage liegen muss.» 2019 machte sich Walter Imhof auf die Suche und fand im Flözerbändli tatsächlich einen Rastplatz von prähistorischen Jägern und Sammlern. Unter einem überhängenden Fels – einer sogenannten Balm – entdeckten sie Spuren, welche bis in die Steinzeit zurückreichen. Ein absoluter Höhepunkt und eine wissenschaftliche Sensation, welche sie den Exkursionsteilnehmern präsentieren und erläutern konnten. Nebst Steinwerkzeugen, Knochen, Pfeilspitzen und Holzkohle fanden sie – ganz am Ende der Prospektion fast zufällig – ein Hirschgeweihfragment mit verzierenden Löchern. «Am Übergang von der alten zur mittleren Steinzeit gibt es europaweit nur etwa fünf solcher Funde», wusste der Wissenschaftler Urs Leuzinger, Mitglied des Archäologenteams des Kantons Thurgau. Dieser aufsehenerregende Fund rief weitere Wissenschaftler aus anderen Disziplinen auf den Plan. Für ihn persönlich sei das verzierte Hirschgeweih das Highlight in seiner beruflichen Laufbahn. Von diesem Fund ausgehend und mit weiteren Funden von Walter Imhof belegt, lässt sich eine lückenlose Geschichte der menschlichen Aktivitäten im Muotatal nachweisen: Zuerst als Jäger und Sammler wurde der Mensch vor etwa 6000 Jahren im schweizerischen Mittelland sesshaft und suchte im Spätsommer und Frühherbst als Wildbeuter die wildreichen Gebiete des Muotatals auf. Ab 2000 vor Christus begannen die Menschen die über der Waldgrenze liegenden Muotataler Alpen als Hirten mit Ziegen und Schafen zu nutzen. Weitere Nachweise dieser Hirtentätigkeit lassen sich in der Eisenzeit, der Römerzeit bis ins Mittelalter und natürlich in die Neuzeit nachweisen.

 

Bote der Urschweiz / Franz Steinegger

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Bote der Urschweiz

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Publiziert am

02.07.2024

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www.schwyzkultur.ch/aNBWVJ