Vier junge Talente verzauberten im Opernrezital des «Musiksommers am Zürichsee» das Publikum in der bis auf den letzten Platz gefüllten katholischen Kirche von Feusisberg.  Bild zvg
Vier junge Talente verzauberten im Opernrezital des «Musiksommers am Zürichsee» das Publikum in der bis auf den letzten Platz gefüllten katholischen Kirche von Feusisberg. Bild zvg

Musik

Charakteren-Reigen in Feusisberg

Am Mittwochabend verzauberten vier junge Talente im Opernrezital des «Musiksommers am Zürichsee» das Publikum in der bis auf den letzten Platz gefüllten katholischen Kirche von Feusisberg.

Es gibt Leute, die verbringen Abend für Abend mit ihren Soap Operas. Andere kühlen sich ihren Durst nach einer effektiven Dosis an Gefühl und Leidenschaft regelmässig in der Oper – oder einmal im Jahr in der katholischen Kirche Feusisberg, beim Konzert des Musiksommers am Zürichsee und der Kühne Stiftung. Anders als an einem Abend im Zürcher Opernhaus hören sie dort nicht eine mehr oder weniger linear erzählte, opulent ausgestattete Aufführung, sondern die Highlights aus italienischer, französischer oder auch deutscher Operngeschichte, gesungen von den Stars von morgen. Keine exquisite Kostüme, White Cubes, Drehbühnen oder wildes Regietheater, sondern Fokus auf das Essenzielle: Stimmen und Mimik. Auch dieses Jahr lud der künstlerische Leiter des Internationalen Opernstudios der Oper Zürich, Adrian Kelly, junge Talente am Übergang zur Profikarriere ein, die in Zürcher Produktionen zu hören sind und den im Konzert verkörperten Operncharakteren möglicherweise eines Tages auch an den grossen Häusern der Welt ihre Stimme leihen.

 

Belcanto und Emotion

Opern-Potpourris wie jenes in Feusis berg erlauben Stimmungswechsel im Eilzugstempo – und den Sängerinnen und Sängern, innerhalb eines Abends in unterschiedlichste Charaktere mit ihren psychologischen und stimmlichen Eigenheiten zu schlüpfen. Marie Lombard, eine französische Sopranistin mit Bartoli-Akkreditierung, brilliert mit ihren flüssigen Läufen besonders in den leichtfüssigen Belcanto-Momenten wie in Julias leichtfüssig walzernder Arie «Je veux vivre»; ihre Stimmfach-Kollegin Flavia Stricker, die ein etwas dunkleres Timbre ihr Eigen nennt, bezaubert mit samtigen, prickelnd an- und abschwellenden Höhen in Franz Lehárs «Vilja-Lied» oder in der Zugabe, Puccinis «O mio babbino caro». Durch Dezenz zeichnete sich Kellys im besten Sinne begleitende Klavierspiel aus, das das Spektrum zwischen Gewitterausbruch und unheimlicher Stille in Bizets Arie «L’orage s’est calmé» genauso subtil umsetzte wie das zarte Glockenspiel der «Zauberflöte».

 

Schmachtende Liebhaber, toxische Machos – und Papageno

Den grössten Spagat machte an diesem Abend aber der Schweizer Bariton Felix Gygli, der nicht nur alle Schattierungen der stimmfachtypischen – modern gesprochen – toxischen Männlichkeit (vom machistischen Militaristen Belcore über den perfiden Grafen aus Mozarts «Le nozze di Figaro» bis hin zum Nachtclub-Intimo Danilo), sondern auch den plappernden Vogelfänger Papageno souverän beherrscht. Der spanische Tenor Alvaro Diana, der soeben erst zum Team des IOS gestossen ist, gibt den schmachtenden Liebhaber in verschiedenen Einfärbungen: als sensibler Dorftölpel, der für das Äussern seiner Gefühle einen gezinkten Zaubertrank braucht, bis hin zum leicht pathetischen Romeo Gounods. Am Ende des vielseitigen Abends wurden die Leistung des Quartetts und ihres (Beg-)Leiters von der bis in die hintersten Bänke besetzten Kirche mit einer Standing Ovation gewürdigt.

 

Höfner Volksblatt und March-Anzeiger / Severin Kolb

Autor

Höfner Volksblatt & March Anzeiger

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Kategorie

  • Musik

Publiziert am

06.09.2024

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