Bühne
«Nackter Wahnsinn» wahnsinnig lustig
Ein Theater über das Theater im Theater. Die «Bühne 66» fegt mit einer brillant gespielten, tempo-irrsinnigen Komödie erster Güte durch den neuen Verenasaal. «Der nackte Wahnsinn» ist Unterhaltung pur.
Neuer Theatersaal, neu ohne Bühne, neue Technik, neue Akustik, neues Backstage, teils neue Schauspieler und eine neue Regie; auch wenn Annette Windlin schon mal vor Jahren im Verenasaal das Kommando geführt hat. Die «Bühne 66» hat sich viel auf einmal vorgenommen. Entsprechend knisterte es vor lauter Premierenspannung. Wobei zu sagen ist, dass im Verenasaal die alten, engen Verhältnisse ziemlich gleich geblieben sind. Aber vielleicht macht ja gerade dies den Charme aus.
Viel Tempo, viel Irrwitz
Mit «Der nackte Wahnsinn» hat die «Bühne 66» einen zeitgenössischen Klassiker aufs Programm genommen, der inzwischen auch von Laienbühnen landauf, landab gespielt wird. Gar keine einfache Sache, weil die Komödie von zwei schwierigen Elementen lebt: Tempo und Irrwitz. Die Handlung ist einfach, die Überraschungen aber sind total. Autor Frayn lässt in der grossen Tradition angelsächsischer Komödien hier ein Feuerwerk zünden, das wirklich knallt. Es beginnt bei der Spielanlage. Der Zuschauer sitzt mittendrin und verfolgt im Theater ein Theater übers Theater im Theater. Der Zuschauerraum wird plötzlich zur Bühne, die Bühne zur bizarren Grenze zum Zuschauerraum. Ist man nun Zuschauer oder schon Teil der Inszenierung? Schon die Besetzungsliste verwirrt: Unter der (echten) Regie von Windlin wird die Regie im Theater von Bruno gespielt, der von Haschi Annen gespielt wird. Eine vierstöckige Kaskade. Alle Akteure spielen so eine Rolle in der Rolle. Indem die Bühne auf gleicher Ebene beginnt wie die Tribüne, verstärkt sich dieses Gefühl von Einbezug des Publikums noch. In der Dialektbearbeitung von Regisseurin Annette Windlin lässt das Stück keine Chance ungenutzt, alle Register einer turbulenten Komödie zu ziehen, bis sie im völligen Irrwitz untergeht. Es beginnt bei Verwechslungen und Verwirrungen, geht über Intrigen und Liebeleien bis zum Slapstick, wenn der Sekundenkleber, Schwerhörigkeit, die Whiskyflasche oder das Nasenbluten für Pannen und Chaos sorgen. Es geht so weit, dass der Zuschauer gar nicht mehr unterscheiden könnte, was Text und was Improvisation wäre. Die Aufführung löst sich im dritten Akt regelrecht in sich selber auf.
Herrlicher Klischees bedient
Das Stück scheut auch den Einsatz all der Klischees nicht, die es auf der lieben Welt gibt. Der britische Humor kennt da gar nichts. Der Steuerhinterzieher, die Tussi, die tapsige Haushälterin, der alternde Einbrecher, der Regieassistent als «Gangundbring», die Eifersüchtige, alles herrliche Typen, die vom Ensemble absolut grandios gespielt werden. Highlights sind etwa die Atem- und Beweglichkeitsübungen oder die Linsen-Suchaktionen von Vicki (Fabienne Heyne), die ständige Jagd nach den Sardinen und der Kampf mit den Requisiten von Haushälterin Brändli (Jo Reichmuth), die verfrüht-verspäteten Auftritte des Einbrechers (Fredy Schuler) oder wie Inspizient Tim (Lukas Beeler) seine Rolle zwischen Schlafmangel und Mädchen für alles gibt. Die Stärke der Inszenierung steckt aber darin, dass alle neun Akteure eine sehr hohe Glaubwürdigkeit und Komik halten können. Sie meistern ein Tempo, das bei einer Radarkontrolle auf der Strasse eine hohe Busse zur Folge hätte. Die Auftritte und Abgänge kommen rasend schnell, die so lustig ablaufenden Requisitenwirrnisse verlangen höchste Präzision, und die Pointen sitzen alle perfekt. Es geht so weit, dass der Zuschauer enorm gefordert ist, wenn er alles mitkriegen will, weil immer wieder Handlungen doppelt und dreifach nebeneinander ablaufen und überall Gags drinstecken. Die Inszenierung enthält Lacher, die für fünf Komödien ausreichen würden.
Steckt mehr dahinter?
Der Inhalt ist nicht tiefgründig, die Handlung einfach. Aber versteckt hinter diesem Feuerwerk ist ein Ansatz zu sehen, der uns zwinkernd die menschlichen Schwächen zeigt, wie die Welt vielleicht selber eine im Irrwitz und Chaos endende Komödie ist. (Ein Tipp noch an die Zuschauerinnen: beim Theaterbesuch keine Wimperntusche verwenden, sie hat gegen die Lachtränen keine Chance.)
«Der nac
Autor
Bote der Urschweiz
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