Kunst & Design
Die Bergwelt wird zum Atelier
Am Samstag ist die Skulptur «Pedro a dr Kantä» enthüllt worden. Der in Riemenstalden aufgewachsene Urner Bildhauer
Hans Gisler hat tonnenschweren Granit und Zedernholz zu einem Gesamtkunstwerk ineinanderfliessen lassen.
Schon seit einigen Jahren hat sich der 53-jährige Altdorfer Bildhauer Hans Gisler mit der Idee auseinandergesetzt, bei der Sidelenhütte auf 2708 Meter über Meer ein Kunstwerk zu platzieren – ohne Auftrag, auf eigene Kosten, aus Liebe zum Furkagebiet. «In dieser einzigartigen Felslandschaft mit ihrer atemberaubenden Kulisse, in der man Alpinisten aus der ganzen Welt antrifft, kam für mich von Anfang an nur ein Kletterer infrage », sagt Gisler. Und Gisler wollte auch nicht einfach eine im Atelier geschaffene Skulptur an den Fuss des Galenstocks fliegen lassen, sondern das Werk vor Ort schaffen. Granit aus Furkagebiet und Holz aus Altdorf «Ich bin viel am Fels unterwegs, oft auch als Erstbegeher von neuen Routen in Kalk und Granit», sagte Gisler am Samstag bei der offiziellen Enthüllung seines Kunstwerks. «Mir schwebte deshalb vor, bei der Sidelenhütte Fels und Holz zu verbinden, zwei dominierende Bereiche meines Lebens. Es sind dies die Tätigkeit als Bildhauer und das Klettern als mein grösstes Hobby.» Als «Ausgangsmaterialien» dienten schliesslich ein rund 3 Meter hoher, zirka 50 mal 60 Zentimeter breiter und zirka 1,8 Tonnen schwerer Granitblock, der bei der Hütte lag, sowie der Stamm einer in Altdorf gefällten Zeder. Bevor der rund 350 Kilogramm schwere Baumstamm mit dem Helikopter zur Sidelenhütte geflogen wurde, hatte ihn Hans Gisler bereits etwas bearbeitet respektive um rund ein Drittel des ursprünglichen Gewichts erleichtert. Vom 20. August bis 9. September 2017 hat Hans Gisler dann bei der Sidelenhütte die eigentliche Bildhauerarbeit mit der Kettensäge vorgenommen – vom Hüttenwartpaar Walter und Gertrud Gisler grosszügig mit Kost und Logis unterstützt. Bei schönstem Wetter konnten die Gäste das «Schauschnitzen» vor Ort miterleben und staunen, wie aus dem Zedernstamm nach und nach ein Kletterer wurde und wie der Künstler den Kletterer aus Holz immer wieder den Ecken, Kanten und Ausbuchtungen des Steins anpasste. «Für einmal musste ich einen etwas anderen kreativen Schaffensweg gehen», erklärt Gisler. «Normalerweise passe ich die Form, Grösse und Ausarbeitung einer Skulptur dem Baumstamm an, den ich ausgewählt oder erhalten habe», sagt der in Riemenstalden aufgewachsene gelernte Schreiner. «Diesmal hat mir der Granitblock die Vorgabe für Grösse, Durchmesser und Gestalt des Kletterers gemacht. Neben dem genauen Anpassen des Zedernholzes an den Granitblock war auch das Aufstellen des Steins eine besondere Herausforderung. Dank der tatkräftigen Unterstützung von verschiedenen Helfern wurde schliesslich der ausgewählte Granitblock mit einem Dreibein und Kettenzügen von der Horizontale in die Vertikale bewegt und im Betonfundament verankert. Wegen der grossen Schneelasten, die den Kletterer im Winter vom Granit reissen könnten, ist die lebensgrosse und 60 Kilogramm schwere Skulptur demontierbar und findet im Winter im Materialraum der Hütte einen Platz. Gisler hat seine Skulptur «Pedro a dr Kantä» benannt. «Der Kletterer stützt sich auf der einen Seite des Granitblocks ab und hängt mit dem rechten Bein auf der andern Seite der Kante ein», erklärt Gisler. Zudem ist der Name eine Hommage an Pedro Casanellas, der sich im Furkagebiet als Erstbegeher von Routen am Grossen Bielenhorn, am Grossen Furkahorn und womöglich auch am Grossen Kamel weltweit einen Namen gemacht hat. Unvergessliche Eindrücke Bleibt noch die Frage nach dem Grund des grossen zeitlichen und finanziellen Aufwands, den Gisler in Kauf genommen hat, um ein Kunstwerk an einem Ort zu schaffen, an dem es eigentlich kaum jemand erwartet. «Wenn ich an die unvergesslichen Eindrücke denke, die nicht mit Geld zu ersetzen sind, ist mir klar, dass ich auch künftig lieber Kunst in der Natur respektive in der Bergwelt schaffen möchte», erklärt der Bildhauer. «Dort fühle ich mich wohler als in einer Galerie in irgendeiner Stadt.»
Autor
Bote der Urschweiz
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