Die «Lintwerke» von Karl Steiner. Bild zvg
Die «Lintwerke» von Karl Steiner. Bild zvg

Kunst & Design

Die Linth, zu Kunst gemacht

Autor Bruno Glaus wirft den Blick auf Kunstwerke, welche die Geschichte und Geschichten der «Linth» erzählen.

Wer zurückschaut, ist noch lange kein Nostalgiker. Wer zurückschaut, weiss nur, «dass die Gegenwart dann verarmt und verwaist, wenn sie die Herkunft nicht nur verliert, sondern auch vergisst» (Roman Bucheli, NZZ vom 4. August). Das Linthwerk – heute ein interkantonales Konkordat, früher eine Kommission des Bundes – tritt gegen das Vergessen an. Am 24. August wurde das 200-jährige Bestehen gefeiert. Zu diesem Anlass wurde in der Grynau auf Tuggner Seite eine permanente Ausstellung eröffnet. Überdies wird die bewegte Geschichte des Bauwerks und seine heutige Bedeutung in einer Zeitschrift, «Unser Linthwerk», nachgeschrieben.


Die Linth als Gefahr

Die Linth nahm ich in meiner Kindheit vorerst als Gefahr wahr. Hochwasser 1953. Lobreden meines Vaters auf die wagemutigen Wendemanöver des Traktorfahrers auf dem durchweichten Damm. Jahre später warnende Worte und Badeverbot meiner Mutter nach einem ertrunkenen Jugendlichen. Erst als wir richtig schwimmen konnten, durften wir allein an die Linth. Nach meinen Erinnerungen war das Linthwerk in der Primarschule (und auch später) nie ein Thema gewesen (es sei denn, ich hätte Fensterplatz gehabt). Und dies, obwohl das Linthwerk das erste grosse Gemeinschaftswerk der noch jungen Eidgenossenschaft war (nachzulesen in «Unser Linthwerk»). Man hätte uns schon damals beibringen können, dass das Glück bisweilen von oben kommt, dass nicht alles schlecht ist, was Bern verordnet und über den Finanzfluss steuert. Man muss das störrische Volk manchmal zum Glück zwingen. Auch nach der 2013 vollendeten Linthsanierung kann das Linthwerk stolz darauf verweisen, dass die vom Bund geforderten und mitfinanzierten Renaturierung nicht zum viel beschworenen «Kulturlandverlust», sondern für die meisten Menschen zu einem «Kulturlandgewinn » führten.


Der Fluss in der Kunst

Kunstwerke tragen viel zum Erinnerungsvermögen bei. Alte Stiche bezeugen segelnde Frachter vor der früheren Holzbrücke bei der Grynau. Das Mäandern des alten Linthlaufs zwischen Grynau und Bätzimatt bezeugt ein Gemälde von W. R. Scheuchzer (1803–1866), die spätere Begradigung dieses Teils dokumentiert ein Bild von Franz Vettiger (1846–1917) aus dem Jahr 1866. Beide Werke sind im Buch «Uznach in alten und neuen Ansichten » (1978) des Kunsthistorikers Benno Schubiger abgebildet. Als «ästhetischer Betreuer der Linthebene» gilt der Tuggner Maler Georg Weber (1884–1978) mit seinem Schlüsselwerk «Brücke über Alt Linth», abgebildet im Marchring-Heft 1984. Autor ist Kunsthistoriker Stefan Paradowski. Auch in jüngerer Zeit stand und steht die nun begradigte Linth immer wieder im Fokus des regionalen Kunstschaffens: Das Aquarell von Christian Kraaz (1942–1999) erinnert an die zwischenzeitlich gefällten hochstämmigen Bäume entlang der Linth, das mit Ölfarbe gemalte Bild von Karl Steiner (1947–2019) an die heute weitgehend beseitigten, wenig tier- und pflanzenfreundlichen Steinverbauungen entlang des Flusses (siehe Bilder). Auch Karl Mannhart (1923–2010) und der ehemals in Niederurnen wohnhafte Kurt Mühlbauer (1924–2020) hinterliessen eindrückliche Malereien zur Linth. Die Linthebene findet sich auch im Schaffen des Uzners Karl Beccarelli oder des Schänner Malers Dani Romer, Kopf der Schänner «farbartisten » und der Benkner Funny Painters (gegründet von Christian Kraaz!). Auch im reichhaltigen Fotowerk des Fotografen Hans-Ulrich Blöchliger (mit seinen Bildstrecken im Buch «Ännet em Jordan») und der Fotokünstlerin Elisabetha Günthardt (Camera obscura) werden Linth und Grynaubrücke dokumentiert. Und schliesslich nimmt die Grynaubrücke auch im Werk des Uznacher Holzschneiders Georg Wick einen wichtigen Platz ein. Sein Holzschnitt wurde gar im Logo des Rotary-Clubs Linthebene geadelt. Ein weiterer Uzner prägt nun die Dauerausstellung des Linthwerks: Björn Halvorsen, mit Videoaufnahmen und Fotos.


Loblieder auf die Idylle

Dass die Linth auch für Neuzuzüger schnell einmal zu einem Wahrzeichen, ja zur Marke, wird, zeigt sich am Beispiel des Polen Andrzej Pawlaczyk (*1955). Der diplomierte Technik-Mechaniker zog 1989 nach Schänis, wurde 2000 Bürger der Ortsgemeinde Schänis- Rüttiberg und stellte 2006 seine Werke im Kreuzstift Schänis aus. Im Dezember 2015 kehrte er nach Polen zurück. Sein Bild von der Linth schmückt heute eines der Schänner Verwaltungsbüros. Die begradigte Linth als Idylle, auch im Winter. Noch unbegradigt pries sie 1802 der reisende Arzt Johann Gottlieb Ebel in seiner «Schilderung der Gebirgsvölker der Schweiz», als er vom Bildhaus her auf die Ebene blickte: «Hier schlängelt lieblich die Linth am Fuss des Schennisberges durch Wiesengrün, da verbirgt sie sich hinter sanften Buchenhügeln, und dort ergiesst sie ihre unerschöpflichen Gewässer in den untern Zürichsee, auf dessen schönem Spiegel die zarten Bilder der Felsen, Berge und Wälder schwimmen.» Bei solchen Worten fragt man sich, warum sich die Region die Marke «Zürichsee-Linth» gab und nicht die Marke «Linth-Zürichsee». Das Gewässer voran? Weil ohne Fluss kein See. Wer zurückschaut, ist noch lange kein Nostalgiker. Er verklärt die Vergangenheit nicht. Er schärft seinen Blick in die Zukunft. Historiker Alois Stadler bringt es im Buch «Ännet em Jordan» auf den Punkt. Das Linthgebiet – Wasserland, Grenzland, Durchgangsland, Heimatland – steht mitten im Umbruch: «Noch fehlt die kritische Hinterfragung des materiellen Fortschritts, und kaum jemand denkt an die Erneuerung menschlicher und gesellschaftlicher Werte.»


Dauerausstellung «Linthwerkschau» 

Die aktuelle Ausstellung «Linthwerkschau» beleuchtet die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Bauwerks. Sie ist von April bis Oktober täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet und befindet sich in der Scheune unterhalb des historischen Grynauturms auf der Tuggener Seite. (red)

 

Höfner Volksblatt und March-Anzeiger / Bruno Glaus

Autor

Höfner Volksblatt & March Anzeiger

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Kategorie

  • Kunst & Design

Publiziert am

06.09.2023

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