Dies & Das
«Ich habe mir alles selbst beigebracht»
Hinter einem unscheinbaren Garagentor in Willerzell stellt Richi Fuchs Treicheln her.
Der Blick hinein in die Garage an der Fuchsbergstrasse in Willerzell endet in geheimnisvoller Dunkelheit. Von aussen ist nichts zu erkennen, nur blecherne Hammerschläge sind zu hören. Manchmal stieben zischend Schweisserfunken wie Sternenstaub durch den Raum. «Ausgang» steht auf einem Schildchen an der Innenseite der offenen Torhälfte. Aber dieser Ausgang ist auch ein Eingang in ein kleines Handwerker-Universum.
«Deng, deng, deng …»
Es ist nicht das unscheinbare Garagentor an sich, das neugierig machen würde. Es sind die monotonen, blechernen Schläge, die regelmässig aus dem dunklen Inneren des Raumes weithin hörbar herausschallen. In der Garage mit dem geheimnisvollen Innenleben arbeitet Richard «Richi» Fuchs, der gerade mit einem Passanten plaudert. Der Mann spaziert mit seinem Hündchen oft die Fuchsbergstrasse hinauf und hat sich immer schon gewundert, was wohl hinter dem halboffenen Tor vor sich geht. Nun hat er sich endlich ein Herz gefasst und einen Blick hinein in die Garage gewagt. Dass sich ein Passant für die Arbeit von Richi Fuchs interessiert, ist eher die Ausnahme, denn das Strässchen endet zuoberst am Fuchsberg als Sackgasse, Laufkundschaft gibts hier nicht. Aber eben: Das «deng, deng, deng» ist akustisch präsent in Willerzell und signalisiert: Richi Fuchs ist an der Arbeit. Der 53-Jährige stellt Treicheln her, Triichlä oder Trichle, wie auf einem Holzschild an der Stallwand um die Ecke zu lesen ist. «Fuchs Trichle» sind in der ganzen Schweiz bekannt. Besonders beliebt sind sie in der Innerschweiz, im Glarnerland und im Kanton St. Gallen, aber Fuchs hat auch Kunden im Allgäu, im Südtirol, im Vorarlberg und in Kanada.
Am Anfang ging alles in die Hose
Richi Fuchs, gelernter Sager und Lastwagenchauffeur, hat vor 25 Jahren angefangen, Treicheln herzustellen, zuerst nur als Hobby. Der junge Mann hatte sich in seiner Begeisterung gleich an die grossen, bauchigen Treicheln gewagt, aber am Anfang ging alles in die Hose. «Ich habe zwar gewusst, wie eine gute Trichle aussehen und tönen sollte, aber ich habs einfach nicht hinbekommen.» So versuchte er sein Glück vorerst mit kleinen, flachen Treicheln. Er kaufte ein Buch über die Grundlagen des Schmiedehandwerks, probierte, tüftelte, hämmerte, lötete und schweisste, bis er es raushatte. «Ich habe mir alles selbst beigebracht», erzählt er stolz, denn so etwas wie eine Treichel-Schmied-Lehre oder Treichel-Kurse gibt es nicht – und die, die es schon können, verraten ihre Berufsgeheimnisse nicht.
Das Hobby zum Beruf gemacht
Hauptberuflich war Richi Fuchs lange Jahre als Lastwagenchauffeur tätig, zuerst für ein Baugeschäft, später fuhr er Tanklastwagen. Seinem geliebten Hobby ging er jeweils am frühen Morgen vor der Arbeit und am Feierabend bis spät in der Nacht nach. «Irgendwann waren die Batterien einfach leer», erinnert er sich. Deshalb entschloss er sich vor zwölf Jahren, sein Hobby zum Beruf und seinen Beruf zum Hobby zu machen. Hin und wieder ist er noch aushilfsweise als Chauffeur unterwegs, weils halt auch Spass macht. Aber seinen Lebensunterhalt bestreitet der Willerzeller heute erfolgreich als Treichelschmied. Es gibt nicht viele «Berufs- Treichler», so wie Richi Fuchs, die meisten betreiben das Handwerk hobbymässig. Seine Garage ist seine Werkstatt und es ist schier unglaublich, was in dem Raum alles Platz hat: Gestelle mit grossen und kleinen Treicheln, bauchige, flache, glänzend polierte oder Rohlinge mit Schweissund Lötnähten, an der Wand fein säuberlich aufgehängte Kleinwerkzeuge, daneben ein Amboss, eine Bohrmaschine und der imposante Federhammer, eine raumhohe Eigenkonstruktion seines Sohnes Andy. «Der Federhammer macht die regelmässigen, weit herum hörbaren Töne», erklärt Richi Fuchs. Er ist froh um dieses Gerät, das er seit zwei Jahren hat. Früher hämmerte er alles von Hand: «Da hast du am Abend gut gespürt, was du den ganzen Tag gearbeitet hast!»
Unverwechselbar
In der Garage ist es heller als erwartet, Neonlicht beleuchtet den Raum und Richi Fuchs’ Hauptarbeitsplatz liegt direkt am südseitigen Fenster. Nur wenn draussen gleissend heller Sonnenschein herrscht, sieht man drinnen im ersten Moment fast nichts, aber: «Man gewöhnt sich dran.» Richi Fuchs macht sich daran, von Hand eine grosse Treichel zu bearbeiten, er «richtet» sie, wie er sagt, das heisst er bearbeitet das Stahlblech so lange, bis der Ton stimmt. Jeder Treichelhersteller hat seine persönliche Treichelform, auch die Fuchs-Treicheln sind eine Eigenentwicklung und unverwechselbar: «So, wie es andere machen, funktionierte bei mir nicht.» Das Blech für die bauchigen Treicheln wird in Form gepresst, die Form dafür hat Richi Fuchs wiederum selbst konstruiert. Die dazu nötige hydraulische Presse steht in einem umfunktionierten, kleinen Silo neben dem Haus, weil sie in der Werkstatt keinen Platz mehr hatte. Es ist eine Notlösung, denn Richi Fuchs sucht eine grössere Werkstatt. Er ist zwar gut organisiert, aber langsam herrscht doch Platzmangel in seiner Garage.
600 Treicheln jährlich
Richi Fuchs ist ein handwerklicher Tausendsassa, aber ganz alles kann er dann doch nicht selber machen. Manche Treicheln werden auf Wunsch des Käufers feuerverzinkt oder feuervermessingt. Für diese Spezialbearbeitung, welche die fertige Treichel golden erstrahlen lässt, fährt er jeweils zu einem Betrieb im Tirol. Die Fahrt dorthin ist für den leidenschaftlichen Chauffeur eine willkommene Abwechslung im Berufsalltag. Derart «vergoldete» Treicheln haben ihren Preis, das schöne Exemplar, das in der Werkstatt auf seinen zukünftigen Besitzer wartet, kostet 380 Franken. Richi Fuchs stellt jährlich etwa 600 Treicheln in 48 Grössen her, fast alle auf Bestellung. Preislich liegen die Unikate aus Willerzell zwischen 40 und 800 Franken. Zu kaufen sind die Treicheln direkt bei ihm sowie bei einigen Fachhändlern; die Qualität seiner Ware hat sich längst herumgesprochen: «Die Mund-zu-Mund-Propaganda reicht aus, die Kunden rufen mich an, denn ich habe keine Webseite, nicht einmal eine E-Mail-Adresse.»
Einsiedler Anzeiger / Gina Graber
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