Die Folge einer durchzechten, teuren Nacht im «Erotik-Tempel»: Olga la Bouche richtet sich beim konsternierten Toni gemütlich ein. Foto: Paul Jud
Die Folge einer durchzechten, teuren Nacht im «Erotik-Tempel»: Olga la Bouche richtet sich beim konsternierten Toni gemütlich ein. Foto: Paul Jud

Bühne

«Mir sind ebä schu zwee Heldä!»

Nach zwei Jahren coronabedingter Pause kommen die Willerzeller mit einem Lachvolltreffer «Ä verhängnisvolli Nacht» erster Güte auf die Bühne zurück: In dieser deftigen Komödie sprüht und zischt und funkelt es.

Die Spielfreude ist den Theaterspielerinnen und -spielern nicht abhanden gekommen. Die saftige Aufführung erlebte öfters Szenenapplaus und Lachsalven aus dem Zuschauerraum. So ein heiterer Abend weckt die Lebensgeister im alten Jahr wieder neu. Die Rollen sind ideal besetzt – ein Spiel wie aus dem echten Leben. Die Pointen jagen sich – bis zum überraschenden, nicht absehbaren Schluss. Der ist aber trotzdem ein Komödien-Happy-End! Wie ich an diesem Premie-ren Abend ins Willerzeller Schulhaus eintrete, wird mir bewusst, wie ich an echten Entzugserscheinungen leide. Ja, Sie lesen richtig: Entzugserscheinungen! Warum das? Nun, zwei geschlagene Jahre war der Abend des Stephanstags leer, theaterlos. Das Landtheater gehört seit Jahrzehnten in die Altjahrwoche. Und die Theaterleute aus dem kleinen Dörfchen am Sihlsee verstehen es seit knapp vierzig Jahren, den Leuten Lebensfreude zu schenken. Immer wieder füllen sie die Rollen mit talentierten neuen jungen Leuten, wie dieses Jahr mit der «Journalistin» Martina Baumann, alias Noelle Stäuble. Und dann noch ein kleines, angenehmes Detail am Rande: Seit diesem Jahr sitzt man nicht mehr auf dem harten Holzsessel, nein, dank Polstern spürt man seinen Hintern nicht mehr und kann noch lustvoller am Geschehen teilnehmen.

Weibliche Anziehungskraft – oh la la!


Das Spiel beginnt im halbdunklen Morgengrauen. Die beiden Lokalpolitiker Toni und Emil lie-gen stockbetrunken und demzufolge halb betäubt auf, beziehungsweise hinter dem Sofa. Unsanft von Frieda, Tonis Frau, aus dem Promillerausch geholt, versuchen sie, sich an die letzte Nacht zu erinnern: Da war doch der Besuch im Erotik-Tempel, das Heimfahren mit 3,1 Promille und dem logischen Ausweisentzug, das fehlende Geld aus der Gemeindekasse – und «Olga la Bouche», die Toni’sche Sünde der vergangenen Nacht. Ein Albtraum tut sich vor den beiden auf. Sollte das Ganze eins zu eins an die Öffentlichkeit kommen, droht ihnen der Verlust ihrer Politkarriere. Tonis Ehe und Ehre wären am Boden zerstört. Nun mischen ein paar Damen das Geschehen auf: «Dorfzeitung » Silvia Huber, Gemeindeschreiberin Renate Kern, Journalistin Martina Baumann und nicht zuletzt Ehefrau Frieda wollen die «verhängnisvolli Nacht» durchleuchten, jede mit anderen Interessen natürlich!

Alles löst sich auf krummen und geraden Wegen auf


Und nicht genug der Turbulenzen: Mit Mario Brutelli bringt sich ein Gangster ins Spiel, der letzte Nacht beim Pokerspiel dem Toni zigtausende Franken abgenommen hat und diese mit der Pistole in der Hand eintreiben wird. Das Grauen um eine verpfuschte Zukunft – wenigstens fünf Jahre Haft für alle Verfehlungen – steht den beiden Politikern ins Gesicht geschrieben. Während Toni, der Gemeindepräsident, ob der unlösbar scheinenden Situation aufgeben will, beweist Freund Emil ein kluges Köpfchen. Da ist das «Problem Olga» zu lösen. Die quartiert sich bei Toni ein, um eine Geschäftsbewilligung für ihre «Spezialdienste und so» zu kriegen. Nun, sie wird je nach Situation im Kasten oder in der Truhe temporär entsorgt. Dann soll Geld gewaschen worden sein. Das kann man von zwei verschiedenen Seiten sehen! Und auch Polizisten sind in der heutigen Zeit erpressbar – Politik hat auch für solche Dinge immer eine Hintertür offen! Wie bei jeder echten Komödie, so löst sich auch hier alles auf krummen und geraden Wegen irgendwie auf. Und dies ganz nach dem Motto: «Eine mutige Leis-tung für euch zwei Politiker!» Wer das nach geschlagener Schlacht anerkennend zu den beiden sagt – finden Sie es beim Theaterbesuch selber heraus! Und nur logisch ist, dass Toni und Emil schlussfolgern: «Mir sind ebä schu zwee Heldä!» Strahlend stehen sie da, bewundert von ringsum.

Überzeugende Darsteller


Die Regie (Marcel Schönbächler) hat aus dem reichen Fundus an Darstellern klug ausgewählt: Toni Sieger (Arnold Gyr) ist immer ein sicherer Wert. Wie er den verkaterten Lebemann verkörpert, sich dann seines Amtes und seiner bedrohten Karriere besinnt, keinen Ausweg sieht – klasse. Ehefrau Frieda (Martina Birchler) spielt die resolute Gattin eines Politikers, der zum Kantonsrat aufsteigen möchte und wovon sie dann auch ihren Teil abbekommen möchte: brillant. «Frau Kantonsrat» könnte im Frauencafé ganz anders auftreten als bisher. «Olga la Bouche» (Heidi Ott), spielt die Tänzerin aus dem Rotlichtmilieu dermassen echt – da erliegen nicht nur die Männer im imaginären Theaterspiel ihren Reizen. Manch Zuschauer auf den Stühlen machte sich bei solch einer Versuchung seine Gedanken … Polizist Karl Kanter (Fredi Stössel): Dem kann man jede Rolle geben. Der allein ist einen Theaterbesuch wert. Für dieses Spiel brilliert er sogar mit einem knackig-obstigen Ostschweizer Dialekt. Extra einstudiert! Das Ensemble spielt aus einem Guss Alle anderen Rollenträger passen auch sehr gut in das Stück. Das Ensemble spielt aus einem Guss. Die drei Szenen am Ende eines jeden Aktes sind Knalleffekte. Besonders jener am Ende des ers-ten Aktes stellt die Zeiger auf Verzweiflung, ja, Panik. Und die Zuschauer? Gehen lachend in die erste Pause. Ja, und das Ende? Da sei nichts verraten!

Benutzen Sie eine der noch neun Aufführungen – gehen Sie bis zum 14. Januar ins Willerzell Aber benützen Sie den Vorverkauf (Telefon 077/457’54’53): Es lohnt sich. Da wette ich drauf!

Einsiedler Anzeiger / Paul Jud

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Bühne

Publiziert am

30.12.2022

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