Bühne
Gedächtnispalast: Theatererlebnis in alter Fabrik
Annette Windlin inszeniert auf fünf Etagen der alten Spinnerei Nylon-6 in Emmenbrücke das Stück „Gedächtnispalast“. Autorin Martina Clavadetscher erzählt darin die Facetten einer Familiengeschichte, die das Publikum auf unzähligen Bühnen hautnah miterlebt.
Die ehemalige Spinnerei Nylon-6 mit der angegrauten Fassade steht mitten in der pulsierenden Viscosistadt Emmenbrücke. Mit dem theatralen Grossprojekt „Gedächtnispalast“ kehrt frisches Leben in die Fabrik zurück. Das Publikum erwartet eine aufregende Inszenierung der Regisseurin Annette Windlin.
Gespielt wird in 60 Szenen die Liebesgeschichte zwischen Marga und Hannes – ohne chronologischen Ablauf – auf fünf Etagen und an zahlreichen Schauplätzen. Dort, wo sich kilometerweise Rohre winden, auf Zwischenböden, neben riesigen verrosteten Eisentrommeln oder im ehemaligen Kommandoraum spielen 40 Schauspieler und Schauspielerinnen teilweise gleichzeitig ihren Part. Geschrieben hat das Stück Martina Clavadetscher.
Die Zuschauenden betreten dieses Bühnenuniversum durch einen der vier Eingänge und bahnen sich individuell ihren Weg durch den Theaterabend. Man wandert von Schauplatz zu Schauplatz und wählt frei unter den Szenen aus. Jede Person erlebt das Stück auf ihre Weise, niemand sieht die ganze Geschichte. Persönliche Erinnerungen begleiten einen auf Schritt und Tritt und werden bei der Interpretation des Gesehenen kräftig mitmischen.
Atemberaubende Bühnenräume
Gründe, sich zu erinnern, gibt es zuhauf in den von Ruth Mächler atemberaubend ausgestatteten Bühnenräumen. Denn sie beherbergen – welch ein Schatz – eine skurrile Sammlung von unzähligen Gegenständen, Kleidern und Möbeln. Das arrangierte Material wird im Theater zur reinen Magie. Da erkennt man etwa eine Armee voller zugeschraubter Honiggläser, gefüllt mit präzise ausgeschnittenen Kartonsternen, fein säuberlich sortiert nach Farben und Formen – genug, um damit den Himmel zu bedecken. Wer diesen Kosmos erschaffen hat, muss entweder vollends verrückt oder glücklich gewesen sein. Nur Kinder, Verrückte und Liebende widmen sich mit Hingabe dem Unnötigen. Das Stück haucht diesen Gegenständen, die ein Zufall vor der Kehrrichtverbrennungsanlage rettete, neues Leben ein.
So wird die alte Spinnerei durch die Inszenierung zu einem Ort der vielfachen Erinnerung, und jede Person, die eintritt, wird durch ihr Gedächtnis zum Autor oder zur Autorin einer eigenen ungeschriebenen Geschichte.
Vorführungen: 26. April bis 29. Juni 2019
Zum Theater: gedaechtnispalast.ch
Autor
SchwyzKulturPlus
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