Im Hamsterrad gefangen – oder Spass in der Tretmühle? Monica Vögele, Leiterin des Vögele Kultur Zentrums (links), mit den beiden Kuratoren der Ausstellung Simone Kobler und André Utzinger. Foto: Hans-Ruedi Rüegsegger
Im Hamsterrad gefangen – oder Spass in der Tretmühle? Monica Vögele, Leiterin des Vögele Kultur Zentrums (links), mit den beiden Kuratoren der Ausstellung Simone Kobler und André Utzinger. Foto: Hans-Ruedi Rüegsegger

Kunst & Design

Wenn gut sein nicht ausreicht

Besucherinnen und Besucher der aktuellen Ausstellung «Ist gut nicht gut genug?» im Vögele Kultur Zentrum in Pfäffikon sind eingeladen, über die Selbstoptimierungskultur nachzudenken.

Ein grosses mit Goldpulver beschichtetes Rad aus Aluminium empfängt Besucherinnen und Besucher im Vögele Kultur Zentrum in Pfäffikon und zieht sie förmlich in die Ausstellung zum Thema Selbstoptimierung hinein. Das Objekt lädt zum Ausprobieren ein: Ein paar Schritte in der Tretmühle der Zürcher Künstlerin Sarah Hepp gehen, dann in einen leichten Laufschritt wechseln … «Wir optimieren uns täglich, ohne es zu realisieren», sagt Monica Vögele, Leiterin des Vögele Kultur Zentrums, anlässlich der Vorbesichtigung der Ausstellung «Ist gut nicht gut genug? – Warum fordern wir so viel von uns?» Optimierung sei nicht per se schlecht, werde aber mehr und mehr zu einem Wahn. «Wir werden von der Werbung gepusht, werden vermessen, verglichen», so Monica Vögele. Und finden uns plötzlich im Hamsterrad: immer schneller, immer höher, immer schöner … Was, wenn es reicht, man dem Rad entfliehen möchte? «Abspringen», sagt Co-Kuratorin Simone Kobler. «Die Tretmühle kann aber auch Freude bereiten.» Das zeigt die Ambivalenz des Themas. So auch die Kletterwand. Die Klettergriffe der Installation «Up! Up!! Up!!!» von Stefan Panhans bestehen aus Produkten, die der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit dienen sollen. «Die Kletterwand ist sehr fragil. Die teuren Produkte halten nicht, was sie versprechen.» Es geht in der Ausstellung aber nicht darum, zu urteilen, ob Selbstoptimierung nun gut oder schlecht ist. Absicht sei, so Co-Kurator André Utzinger, die Besucherinnen und Besucher zu animieren, darüber nachzudenken, welche Eigenschaften sie optimieren wollen und zu reflektieren, ob sie dann glücklicher sind.


Vier Themenbereiche


Die Ausstellung geht in vier Kapiteln auf bedeutende Aspekte des Themas ein. «Die Arbeit am Ich – es gibt viel zu tun» befasst sich mit den Bereichen Freizeit/Arbeit, dem Körper und dem Nachwuchs. So wird ein kritisches Licht auf unsere Freizeitkultur geworfen. Die Frage «Ist die Freizeit die Arbeit von heute?» macht deutlich, dass Freizeit nicht mit Entspannung gleichzusetzen ist. Auch hier gilt: schneller, höher, besser. Und wo spielt das Vergleichen, das Messen eine grosse Rolle? Im Turnunterricht. So haben die beiden Szenografen Philipp Graf und Martin Stillhart als Metapher zur Thematik eine Turnhallen-Optik gewählt. Sprossenwände trennen einzelne Bereiche ab, an den Wänden sind Linien angebracht, wie sie auf Turnhallenböden zu finden sind. Im hinteren Teil der Ausstellung werden sie dreidimensional und letztlich befinden sich am Schluss fünf Garderoben.


Den Körper optimieren


Ob Superfood, leistungssteigernde Substanzen oder Schönheits-OP – der Optimierungswahn macht natürlich auch vor dem eigenen Körper nicht Halt. Erschreckend «schön» zeigen Bilder der lettischen Fotografin Evija Laivina, wie Menschen versuchen, einem Schönheitsideal zu folgen. Zu Diskussionen anregen wird sicher auch die Installation «Transfigurations» von Agi Haines. Auf bereits existierenden Operationstechniken hat die englische Künstlerin fünf fiktive Eingriffe an Kleinkindern erfunden. «Mittels operativen Eingriffen die Eigenschaften eines Kindes zu ‹optimieren›, wirft ethische Fragen auf», sagt André Utzinger. Aber auch der Umgang mit leistungs- beziehungsweise bewusstseinssteigernden oder beruhigenden Substanzen wird thematisiert.


Selbstreflexion als Konsequenz


Den Körper zu optimieren, kann aber durchaus positive Aspekte haben. So gilt es im Alter nicht, die Leistungsfähigkeit zu steigern, sondern einen bestimmten Zustand zu erhalten. Beeindruckend auch das Kommunikationsgerät mit Augensteuerung: Dieses erlaubt, mittels Bewegung der Augen, Sätze zu schreiben, was Menschen mit einer Behinderung erlaubt, zu kommunizieren. Ein «Theorieteil», wie André Utzinger ihn nennt, geht darauf ein, was den Menschen motiviert, sich zu verbessern, und warum Optimierungsbemühungen mal Glück und Freude und mal nur Stress bedeuten. Grafiken zeigen auf, was den Menschen antreibt, wann der Elan in Stress kippt oder wo auf dem Weg das Glück liegt. Letztlich provoziert jede Bewegung Kritik und folglich eine Gegenbewegung. Ein Sessel lädt zur Meditation, auf einem Schwedenkasten möchte der «Slow Reading Club» zum langsamen Lesen animieren. «Langsamer, achtsamer, ruhiger ist letztlich eine andere Art Optimierung», sagt Simone Kobler und macht die Ambivalenz des Themas erneut sichtbar. So sind die fünf Garderoben der Selbstreflexion – Identität, Charakterstärken, Ziele, Musse und Lockerlassen – die logische Konsequenz der Ausstellung. In diesem letzten Bereich kann der Besucher sich zurückziehen und die eigene Richtung finden. hrr

Autor

Einsiedler Anzeiger

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Kategorie

  • Kunst & Design

Publiziert am

29.05.2018

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